Quo vadis, Rundenstrategie?

  • Erst mal danke ich sehr für deine Zusammenfassung {Grumpy} Edit: Mentat, weil nämlich in den dutzende Seiten langen Fäden Imps den Überblick zu behalten alles andere als einfach zu bewerkstelligen ist. Allerdings muss ich im gleichen Atemzug anmerken, dass das Ganze leider nicht so recht hier rein passt, sondern eben eher bei Imps Konzepten zu Hause ist als in diesem Diskurs.


    *


    Wie ich sehe wurden sich aber bereits die Köpfe über eine Neuordnung der Rundenstrategie zerbrochen. Gut so! Jedoch reicht das noch nicht aus. An dieser Stelle dürfen wir nicht stehen bleiben!


    Wirklich interessant finde ich, was Grumpy an dieser Stelle schreibt. Vielleicht sollten es alle noch einmal lesen. Tatsächlich ist mir aufgefallen, dass in Diskussionen wie beispielsweise im KdM-Forum, wo es um die absolute Ausreizung der Spielmechaniken geht, es fast immer auf das Absolvieren der Kämpfe ohne Verluste hinausläuft sowie, was nur auf den ersten Blick paradox erscheinen mag, gerade die Möglichkeit entspannter und länger als bei Echtzeitstrategie zu spielen hier umgekehrt und stattdessen in akribischer Manie das Spiel mit so wenig Zügen wie irgendmöglich zu beenden angestrebt wird.


    Sind dies also die eigentlichen Heroes-Ziele? 1. Verlustminimierung und 2. Spielzugminimierung?


    Und wie verhält es sich damit im Vergleich zur restlichen (Computer-)Rundenstrategie? Insbesondere wurde hier vermehrt Civ genannt. Lässt sich ein Vergleich zum Brettspiel anstellen oder ist dieser überhaupt zulässig?


    Diese Fragen berühren die Grundmechaniken und über diese möchte ich im Folgenden weiter mit euch diskutieren.


    Ich schrieb nämlich die Punkte 'Spielzuggestaltung usw.' freilich mit einem Blick über den Computerschirm hinaus auf den Brettspielbereich, einen Vergleich den Grumpy hier ansatzweise in Zweifel zieht.


    Also, ich erwarte eure Überlegungen dazu. Erst dann machte es nämlich überhaupt Sinn, wenn wir auf die spezielleren bereits genannten Punkte hier näher eingehen!

  • Ich gebe den Dank mit Freuden an Mentat weiter, dem er auch gebührt, denn die Zusammenfassung stammt von ihm :daumen:


    Nur ganz kurz dazu:


    Auch noch einmal von mir persönlich herzlichen Dank an Dich Mentat, ich bin ziemlich sicher, dass ich ein solches Heroes mit ausdauernder Sucht an mich reißen würde - und eine so komprimierte Fassung gab es hier bisher nicht.
    In seiner Art als Zusammenfassung basiert es ja aber auf einem bereits etablierten Rundenstrategiegedanken, ohne diesen zu hinterfragen. Von daher würde ich Tobius zustimmen, wenn er sagt, dass die Diskussion noch weiter vorne ansetzen muss. Freiheit/Spieltiefe/Variabilität etc. sind ja Ansatzpunkte, die du ohne Grundmotiv frei und unabhängig voneinander formulierst.



    Ziele?


    Nein, ich denke nicht, dass Verlustminimierung und Spielzugminimierung die eigentlichen Ziele von Heroes sind. Wie Du bereits anmerktest treten in diesem Fall menschliche Spieler miteinander in Wettbewerb. Diese brauchen Vergleichspunkte zur Bewertung ihrer Leistungen, das sind dann die von dir genannten Punkte.


    Hier besteht auch der riesige Unterschied zwischen dem Brettspiel RBS und der Computer-Umsetzung: Beim Brettspiel treten immer zwei Spieler gegeneinander an. Sozusagen läuft diese Spielform ausnahmlos im "Multiplayer" Das verstärkte Rollenspiel-Element, das sich in Heroes, aber auch z.B. der Total War Serie finden lässt, basiert jedoch eher auf einer Einzelspieler-Erfahrung, weil bisher keine Repräsentations- bzw. Kommuntikationsmöglichkeiten für einen individualisierten Charakter gegeben sind. Rollenspiel als solches wird erst dann Multiplayertauglich, wenn exakte Identifizierung mit einem Charakter möglich wird, der den echten Spieler vertritt. (Und dann, aber erst dann funktioniert sdas System prächtig, siehe WoW) Leider habe ich nie Civ gespielt und kann daher meine These nicht weiter untermauern.


    Der Multiplayer in Heroes muss sich also zwangsweise auf den Strategieanteil beschränken und beschneidet somit das Spiel um einen Teil seines Inhalts.
    An dieser Stelle sollte ich jedoch noch einmal klarstellen, dass ich den Rollenspielanteil, der auf eine Rolle sehen aber nicht in sie direkt hineinschlüpfen lässt, sehr gelungen finde. Das gehört zu dem für mich wesentlichen Geschits- oder Märchencharakter von Heroes, der den Spieler in seiner Handlung besser überraschen kann und wendungsreichere Erzählungen erlaubt, ohne gezwungen Fremdbestimmt-Linear zu wirken.


    Allerdings kann ich momentan keine Alternative zu den Zielen der Rundenstrategie bieten, aber ihr hört nochmal von mir.


    Grüße
    grumpy

  • Nachträglich betrachtet denke ich auch, dass für die Zusammenfassung ein eigener Thread geeigneter gewesen wäre, auch wenn sie weniger einen Ausgangspunkt als einen Abschluss einer Diskussion darstellt. Dieser Faden hat eben den Vorteil, dass er von der Kategorie her über den Einzelkonzepten steht und sich auch mein Überblick nicht auf ein einzelnes konkretes Konzept bezieht außerdem kann man ihn vielleicht auch als Anwendung der vorhergehenden Motivationstheorie betrachten.
    Evtl. werde ich das Ganze aber trotzdem noch in einen eigenen Thread verschieben


    Zu den Zielen:


    Ich stimme grumpy zu, dass Verlust- und Spielzugminimierung höchstens sekundäre Ziele sind, die sich z.B. daraus ergeben, dass die Schwierigkeit des Spiels nicht genügend Anforderungen bietet die Hauptmotivation ist wohl eher, das Spiel zu gewinnen bzw. die eigenen Fähigkeiten zu steigern ;) das betrifft natürlich nur den strategischen Anteil!)
    Das Spiel sollte also nicht nur eine ausreichende Zahl von Schwierigkeitsstufen enthalten, sondern auch so konstruiert sein, dass für den Spieler eine fortlaufende Verbesserung möglich ist. Insbesondere darf es keine universelle Optimalstrategie geben, d.h. man braucht äußere Faktoren, nach denen sich die Effektivität verschiedener Strategien richtet.
    Im Schach handelt es sich bei diesen äußeren Faktoren um den Gegenspieler, bei einem Spiel wie Heroes reicht das aber wahrscheinlich nicht aus, da man manchmal erst sehr spät auf den Gegner treffen wird.


    In diesen Bereich fallen dann eben auch die von mir vorgeschlagenen Punkte Freiheit und Variabilität:
    Hauptmotivation ist die Fähigkeitensteigerung und der Spielgewinn. Damit dabei ein Spieler Fortschritte erzielen kann, muss es viele Entscheidungsmöglichkeiten geben, durch die er sich von einem Anfänger abgrenzen kann (-> Freiheit). Zweitens braucht man die oben genannten äußeren Faktoren, auf die sich die Entscheidungen beziehen (-> Variabilität).


    Das umfasst insgesamt aber nur den strategischen Anteil. Die von grumpy angesprochenen motivierenden Rollenspielkomponenten sollte es natürlich ebenfalls geben.

    Die kausale Unabhängigkeit der Quarks von unserer Rede ist kein Merkmal der Realität (im Sinne des Gegenteils der Welt des Scheins), sondern sie ist einfach ein unbezweifelter Bestandteil unseres Redens über Quarks.
    Richard Rorty

  • Zwischen Genre und Spielmodi - Erfassung der Rundenbasierung als Methode


    Nun denn, lassen wir das mit der Analyse sowieso ausschließlich unzulänglicher - weil bereits gealterter - Spiele, die das Bild der Rundenstrategie unnötig verfälschen und stürzen uns in die Theorie, abseits jeglicher Realitäts- oder Umsetzungsnähe. Sind wir angekommen? Nein? Egal. - Gut.


    Einzelspieler, Mehrspieler, Einzelspieler, Mehrspieler....?
    Ein ewiges Leid.
    Wie man es auch drehen und wenden mag: Für ein stimmiges Grundmotiv zur Entwicklung von Zielsetzungen ist die Entscheidung zwischen Einzelspieler und Mehrspieler unabdinglich.


    Und wie es immer so schön ist, will ich aber genau das nicht. Ich will ein Spiel mit einem Spielmodus, denn ich bin harmoniesüchtig und zudem noch zu faul, um mich an verschiedene Spielmodi gewöhnen zu müssen, jawohl! Warum definieren wir unsere Grundlagen dann nicht einfach selbst? Außerdem hieß es ja, dass das Genre vorangebracht werden müsse.
    Das Genre? Ha! Das gibt es in diesem Fall ja gar nicht! Es gibt Rollenspiel und Strategie. Hier liegt der Hund begraben, schon im Titel dieses Themas. Strategie - nicht Rundenstrategie!


    Warum?


    Weil - die Rundenbasierung lediglich als Methode betrachtet - die Genres einzeln in ihrer Symbiose mit dieser Anwendungsform untersucht werden können.


    Die Methode spezifiziert das Genre


    Jedes Genre, das wert ist, als solches bezeichnet zu werden, stellt verschiedene Ansprüche an den Spieler, die unterschiedliche gedankliche Verknüpfungen erfordern.
    Die Methode hingegen ("Echtzeit", "Rundenbasierung", es gibt sicherlich noch andere) begünstigt oder arbeitet gegen die Anforderungen des jeweiligen Genres und filtert dabei bestimmte Bereiche aus einem Genre heraus, fügt jedoch niemals neue Anforderungen hinzu.
    Es existieren also zwei Ausformungen, auf welche die Methode Rundenbasierung unterschiedlichen Einfluss hat:


    Rundenbasierung + Rollenspiel


    Genregrundanforderung: soziale/s Intelligenz/Denken

    Genrebeschreibung:
    Das Hineinfühlen nicht nur in den Körper, sondern auch den Geist einer anderen Person zur Auslebung eigener, nicht verwirklichter Triebe oder zur Horizonterweiterung. Ferner spielt dabei die Kommunikation mit anderen Personen, die erst die Erfahrung des neuen "Kleids" vollendet, eine Rolle. (Sowie die Interaktion mit bzw. die Reaktion von einer simulativen Welt.) Eigentlich nie in Reinform vorhanden.
    (Die allermeisten "reinen" PC-Rollenspiele sind besonders Arm in ihrer Diversität: Sie haben nur eine Persönlichkeit, die des Heroen oder Andersartigen, zu bieten.)

    Methodenfilter Rundenbasierung:
    Dem Zeitaspekt der Rundenbasierung wohnt noch eine innere Eigenschaft inne: Die Verzerrung der Realität bis zur einer symbolisch vereinfachten Ebene des nicht-gleichzeitig-Handelns. Die Reflexion eigenen Handelns durch die Spielwelt erfolgt dadurch nicht unmittelbar und erzeugt eine gewisse Distanz zum eigenen Spielcharakter. Distanz, die auf der anderen Seite aber auch die eigene Rolle z.B. in einem Gespräch, (das auf dem PC ja sowieso immer rundenbasiert ist) klar herausstellt und deshalb zielweisend wirkt: Durch das Wissen um die eigene Rolle in einer Situation muss nicht zwangsweise mit pathetischen Motiven gearbeitet werden, um diese auch noch herauszuheben. Man wird sich also besser der Rolle bewusst, die man übernimmt, kann sich jedoch auch weniger gut direkt in sie hineinversetzen. Der Reiz des rundenbasierten Rollenspiels liegt demnach nicht in der einzelnen Rolle, sondern dem Zusammenspiel mehrerer Rollen, die eher von außen als von innen betrachtet werden.


    > zeitlicher Entwicklungscharakter der übernommenen Rolle wird gefördert


    Die Abstraktion der Rundenbasierung an sich passt sich besser dem Medium PC-Spiel an als etwa ein Echtzeit-Gegenstück, weil sie nicht vorgeben will, echt zu wirken. Das erlaubt inhaltlich eine offenere Handhabung mit der dargestellten Realität.


    > Fantasy-Inhalt wird begünstigt


    Rundenbasierung + Strategie

    Genregrundanforderung: analytische/s Denken/Intelligenz

    Genrebeschreibung: Das Spielen und Abwägen mit bzw. von abstrakten Handlungsmöglichkeiten im mehr oder weniger überschaubaren Raum aus Kausalitäten. Dient der Befriedigung kausalem Erfolgsgefühls, "richtig" gehandelt zu haben, da immer ein Ergebnis zu betrachten ist.
    (In Verbindung mit dem Rollenspiel kann eine Welt derart simulativ gestaltet werden, dass das Ergebnis nicht direkt vorliegt. Die Denkanstrengung zum Abwägen des Ergebnis und die anschließende Belohnung in "richtig" oder "falsch" kann je nach persönlicher Wahrheit verstärkend oder mindernd auf den Gefühlseffekt wirken.)

    Methodenfilter Rundenbasierung:
    Im Abstraktionsvermögen des Menschen ist es verankert, dass er sich durch "imaginäre Erfahrungen", Erfahrungen, die sich aus der Neusortierung real gemachter Erfahrungen ergeben, Zukunftsmöglichkeiten errechnen kann. Gäbe es eine definierte Einheit "Erfahrung", würde die Anzahl der Möglichkeiten theoretisch n^k betragen. In diesem Falle liefert die Rundenbasierung nur Rechenzeit und verstärkt damit den Erfolgsdruck. Hilfreich ist dabei vor allem der Stillstand, der eingehendes Beobachten der Ausgangssituation ermöglicht.


    > Verstärkung des Erfolgszwanges durch vereinfachende Abstraktion und damit Verstärkung des Wettbewerbs



    Das Genre wird methodisch auf den Spielmodus angewandt


    Während der Mehrspieler am PC mehr oder weniger das Prinzip eines Brettspiels umsetzt, fragt man sich, ob es vor der Ära der PC Spiele überhaupt komplexere Brettspiele gab, die dem Prinzip des nun etablierten PC Einzelspielers folgten? Was ist das überhaupt, Einzelspieler?


    Der Spieler tritt gegen das Spiel selbst an. So ist die Brettspiel-Definition. Aber versucht es im Brettspiel auch schon einen Gegenspieler zu simulieren, wie die KI am PC? Oder ist dies nur eine Unzulänglichkeit und sowieso in diesem Falle der PC der Ursprung dieser Spielform? Warum versucht der Einzelspieler zu sein was er nicht ist und erzielt in seinem Versagen trotzdem einen so großen Erfolg?



    Da mir diese Tatsache momentan noch schleierhaft ist, fahre ich an dieser Stelle nicht mit meinen geplanten Ausführungen fort...ich habe mich beim Schreiben sozusagen gerade selbst auf etwas hingewiesen, an das ich vorhin nicht gedacht hatte...äußerst unbefriedigend...aber nicht mein letztes Wort zu dem Thema...


    Grüße
    grumpy

  • Vorweg: sehr interessante Überlegungen zum theoretischen Fundament dieser Diskussion. Allerdings muss ich zugleich ein paar Einwände anführen, weil ich deinen Schlussfolgerungen leider nicht folgen kann.


    Schon zu Beginn ist die Feststellung, dass fast nur ausschließlich 'gealterte' Rundenstrategie-Spiele analysiert werden könnten, zwar an sich richtig, allerdings nich ganz, denn mir fallen spontan drei mehr oder weniger aktuelle 'gewichtige' Titel ein: Heroes 5, Civilization IV und Disciples III. Dass es seit den beiden zuerst genannten keine gewichtigen Neuerscheinungen mehr gegeben hat, liegt in der Marktsituation begründet, die keine übermäßige Nachfrage nach neuer Rundenstrategie zeigt. Daraus die Schlußfolgerung zu ziehen, dass man auch diese Titel nicht analysieren dürfe, weil sie eben bereits gealtert und damit unzulänglich seien, halte ich aus zwei Gründen für fatal: 1. weil somit die Bindung zur tatsächlichen praktischen Ausformung und Umsetzung dieses Genres wegbrechen würde und 2. weil dieser Aussage die Annahme zu Grund liegt Gealtert=Unzulänglich=Unbrauchbar, wobei alle 3(!) Prämissen zum einen subjektiv in der Feststellung und zum Anderen kontrovers in ihrer theoretischen Kausalität selbst sind.


    Woran, wenn nicht an zwangsläufig gealterten, sich aber über die Zeit in ihrer Qualität offenbarten Spielen sollte man stattdessen seine Überlegungen anschließen? Da bliebe nur ein imaginärer Vollkommenheitszustand, den ohne einem an der Praxis geschulten Verständnis der Rundenstrategie auszumachen ein Ding der Unmöglichkeit darstellt.


    Außerdem, das allerdings nur als persönliche Empfehlung am Rande, würde ich dir unbedingt ans Herz legen wollen, dir Civ zu besorgen: Civ 4 Complete kommt bei den großen Märkten 10 Euronen, was die Haushaltskasse wohl zulassen dürfte. Warum? Weil das Civ-Konzept neben Heroes das einzige darstellt, das in meinen Augen massenwirksam und damit erfolgreich sich über die letzten knapp zwei Dekaden behauptet hat -- Disciples war bislang mehr oder minder Ableger (Teil 3 erscheint ja erst jetzt in Russland) und die vielen früheren Konkurrenz-Spiele sind im Rennen leer ausgegangen, weil das Gesamt-Produkt nicht stimmig war, was -- natürlich! -- leider den Einblick in das ein oder andere geniale Detail, das diese Titel aufwiesen, verbaut. Man denke z.B. an Age of Wonders, aber auch an die früheren Rollenspiele, etwa die Might & Magic-Reihe selbst oder Wizardry oder Ultima oder ... im Folgenden aber stattdessen noch ein paar Worte zu deinen Überlegungen.


    Mehr- oder Einzelspieler
    Ich würde bezweifeln, dass das wirklich den Unterschied in einer Grundsatzdiskussion wie dieser ausmacht, weil die obige Unterscheidung in meinen Augen letztlich bloß entscheidend für die praktische Umsetzung ist. Grundsätzlich aber verändert sich der theoretische Überbau eines RBS nicht: Ob ich Heroes im Einzelspieler- oder Mehrspielermodus spiele unterscheidet sich in der praktischen Folge, das mein Gegenüber keine simulierte KI, sondern ein 'echter' menschlicher Gegenspieler ist, der trotzdem dieselben Spielmechaniken befolgen muss wie auch die KI, aber als Mensch eben situativ anders handeln mag. Ich würde soweit gehen und behaupten, dass der einzige Unterschied tatsächlich der zwischen menschlicher oder simulierter Intelligenz auf der Gegenspielerseite ist. Mit einer "starken KI" (Fachbegriff für eine menschgleiche KI, siehe z.B. Wiki) als Gegenspieler könnte auch WoW (und jedes andere MMORPG) als Einzelspielerspiel vollständig funktionieren, ohne eine Änderung an den Spielmechaniken vorzunehmen -- abgesehen davon, dass auch heute schon diese MMORPGs partiell wie Einzelspielerspiele gespielt werden können.


    Somit ergibt sich, als von dir zu widerlegende Vorhersage, wenn du meine Theorie widerlegen würdest wollen, dass es eigentlich stets nur einen Spielmodus gibt, der Unterschied allein in der Art meines Gegenspielers bzw. meiner Gegenspieler liegt, also zwischen KI und Mensch.


    Methode oder Genre
    Deine Terminologie dieser Begriffe halte ich für sehr zweifelhaft, weil ich nicht sehe, wo der Vorteil liegen soll, ob ich Runden- und Echtzeitstrategie nun als eigenständige Genre oder als 'Methoden' der Strategie bezeichne, was noch gesteigert wird, wenn du plötzlich -- ohne Begründung -- auch noch das Rollenspiel mit diesen Methoden vermengst, wonach also nur noch die Strategie als Genre übrig blieb, was in meinen Augen schlichtweg nicht mit der Realität vereinbar ist, denn, obschon Crossovers theoretisch möglich seien, so gibt es kein Beispiel, das den empirischen Beweis der Einheit von Strategie und Rollenspiel zeigen würde: stattdessen sind es stets mehr oder minder Konglomerate. Wir sprechen dann vom 'Strategie- bzw. Rollenspielanteil', aber letztlich muss man sich entscheiden zwischen zwei Genres, wobei ein solches immer durch bestimmte Regeln abgegrenzt wird, welche in unserem Falle die unterschiedlichen Spielmechaniken von Strategie- und Rollenspiel wären.


    An dieser Stelle allerdings würde ich in der Tat sagen, dass eigentlich das erste 'echte' Rollenspiel für den Computer TES III: Morrowind gewesen ist, somit durchaus bestimmte 'gealterte' RS (Rollenspiele) objektive (am Gegenstand RS empirisch aufzeigbare) Mängel und somit Unzulänglichkeiten aufwiesen, woraus allerdings nicht folgt, dass deren Analyse notwendigerweise unfruchtbar sein muss, weil -- eine Binsenweisheit zwar, aber nicht weniger wahr -- man aus Fehlern lernt bzw. lernen kann.


    Fazit
    Deine Methodik, die aber eben an dieser Stelle nicht folgt und zudem den Genrebegriff unbegründet verwischt, sehe ich deshalb als -- hart gesprochen -- falsch an, weshalb sich dann Fehlschlüsse ergeben, wie deine rethorische Frage am Ende, ob Brettspiele überhaupt dem 'etablierten PC-Einzelspieler' entsprechen würden, denn tatsächlich existieren solche Brettspiele, deren Mechanik nur einen menschlichen Spieler zulässt, gar nicht und können somit auch nichts mit den etablierten Einzelspieler-PC-Spielen gemein haben, wo es immer um die Simulation eines menschlichen Gegenspielers durch die KI geht, wohingegen beim Spielen abseits des Computers nur solche deinem Verständnis eines Einzelspieler-PC-Spiels entsprechen, die als Einzelspieler-Karten/Knobelspiel in ihrer Spielmechanik gar keinen Gegenspieler kennen, wie z.B. beim Solitär oder den genannten Geduld- und Knobelspielen: der einzige Gegner ist, wenn diesen Begriff sehr frei auslegt, der Spieler sich selbst bzw. seine eigene Intelligenz, was freilich ebenfalls als PC-Spiel programmiert werden kann, hier aber eine KI eben auch nicht vorhanden ist, während beim Brett-Spiel wie auch beim etablierten Einzelspieler-PC-Spiel mindestens zwei verschiedene Intelligenzen aufeinander treffen, bei letzterem die menschliche auf die künstliche Intelligenz trifft, wobei diese bloß Simulation einer zweiten vorhanden menschlichen Intelligenz ist.


    Auf dieselbe Weise könntest du beim Brettspiel die fehlenden Gegenspieler durch dich selbst 'simulieren', z.B. beim Schachspiel gegen dich selbst, was dem Wesen des Spiels aber natürlich nicht entspricht, ihm tatächlich krass widerspricht, weil eben gerade nicht das Messen an der eigenen Intelligenz, sondern einer fremden Sinn und Zweck dieser Spiele ist, die sich am PC als Einzelspielerspiele 'etabliert' haben...

  • Analyse der Genres


    Zitat

    Original von Tobius
    Deine Terminologie dieser Begriffe halte ich für sehr zweifelhaft, weil ich nicht sehe, wo der Vorteil liegen soll, ob ich Runden- und Echtzeitstrategie nun als eigenständige Genre oder als 'Methoden' der Strategie bezeichne, was noch gesteigert wird, wenn du plötzlich -- ohne Begründung -- auch noch das Rollenspiel mit diesen Methoden vermengst, wonach also nur noch die Strategie als Genre übrig blieb


    Wieso nur noch ein Genre? Grumpy betrachtet doch Rollen- und Strategiespiel, jeweils mit den Auswirkungen einer rundenbasierten Umsetzung. Und sicher hat letztere doch auch Einfluss auf die Rollenspielelemente.
    Oder anders formuliert: Wie soll die Analyse eines Spiels wie Heroes sonst aussehen? Ich halte es eigentlich schon für sinnvoll, Strategie- und Rollenspielanteil getrennt voneinander zu untersuchen. Insgesamt geht es ja in grumpys Zusammenstellung wieder um eine Trennung der Motivationen: In Rollenspielen motiviert eher das Erleben der Spielwelt (, wozu dann auch die von grumpy angesprochene soziale Komponente gehört, die ich aber schon mehr der rundenbasierten Anwendung zuschreiben würde), in Strategiespielen dominiert die analytische Frage, welche Handlung optimal ist und das daraus resultierende Erfolgsgefühl.


    Allerdings würde ich bei dieser Unterteilung noch eine Ergänzung hinzufügen, denn im Prinzip kann man auch das Aufbau(strategie)spiel als eigenes Genre betrachten, das ebenfalls in den typischen Rollen- und Strategiespielen zu einem gewissen Anteil vorkommt und einen weiteren, unabhängigen motivierenden Faktor mitbringt: Die zugehörige Grundanforderung könnte man als kreative Intelligenz bezeichnen, denn es geht dabei immer um einen Aufbau, der nicht nur der Lösung eines Problems dient (wie im analytischen Fall, d.h. der typischen Strategiespielanforderung), sondern man hat gleichzeitig eine ästhetische Komponente. Wenn man z.B. in Anno eine Siedlung errichtet, geht es ja nicht darum, die effektivste aller möglichen Städte zu errechnen, sondern eine funktionierende Stadt immer weiter und schöner auszubauen. Ähnliches gilt wohl eingeschränkt auch für den Aufbau von Heldenfähigkeiten.
    Insgesamt hätte man dann also eine soziale, eine kreative und eine analytische Dimension.



    Einzel- und Mehrspieler


    Den Multiplayer als Grenzfall des Einzelspielermodus mit starker KI zu betrachten, erscheint mir auch sinnvoll. Das Hauptproblem beim rundenbasierten Spiel die Wartezeit ist eher eine Frage der praktischen Umsetzung.

    Die kausale Unabhängigkeit der Quarks von unserer Rede ist kein Merkmal der Realität (im Sinne des Gegenteils der Welt des Scheins), sondern sie ist einfach ein unbezweifelter Bestandteil unseres Redens über Quarks.
    Richard Rorty

  • Wie Mentat bereits ganz in meinem Sinne ausgeführt hat, ging es mir bei all diesen Ausschweifungen vor allem um eines:


    Den motivierten Spieler. Der Spieler erhält bei jedem Spiel unterschiedliche Motivationsreize, die auf unterschiedlichen Spielmechaniken beruhen. Die Natur dieser Motivationsreize herauszuarbeiten war mein Anliegen. Denn daraus lassen sich Konstruktionsanweisungen für ein Spiel ableiten und damit eine Zielsetzung für ein Konzept.
    Oder anders:
    Es ging um die Entwicklung eines Grundmotives, aus dem sich eine Zielsetzung formulieren lässt, die innerhalb eines abgestimmten Rahmens verwirklicht werden kann.


    Der Einleitungssatz war nicht ganz ernst zu nehmen. Ich weiß, dass ich ein Subjekt mit polemischer Ausdrucksform bin ;)
    Ich halte es aber für wichtig, dass man sich zunächst losgelöst von Beispielen einem "imaginären Vollkommenheitszustand" nähert. Ansonsten ist es äußerst schwierig, wirklich Neues zu etablieren. Der "imaginäre Vollkommenheitszustand" lässt sich dann immer noch mit Beispielen abgleichen und auch noch im Nachhinein anpassen. Er entsteht ja auch nicht völlig aus dem Nichts, sondern aus abstrahierten Erfahrungen mit existierenden Spielen. Diese Erfahrungen einzeln auf die einzelnen Spiele zurückzuführen, erschien mir aber unnötig ermüdend, deshalb dieser Beginn.


    Aber ich schweife ab. Diese Zielsetzung jedenfalls, von der eben die Rede war und die etwa "Freiheit und Variabilität" lauten könnte, hängt nicht von dem Spiel als homogenem Block ab, sondern von verschiedenen Faktoren, die ein Spiel ausmachen.
    Wie man die nennen mag, ist mir im Grunde völlig egal. Ich habe mich eben der Begriffe Genre und Spielmodi bedient und - zugegebenermaßen - diese auch neu geprägt. (Oder "verwischt", wenn man will.)


    Der Genrebegriff


    Bisher kursiert HoMM im so genannten "Rundenstrategie-Genre". Daneben gibt es das "Rollenspiel-Genre"(Mit den Unterkategorien Hack&Slash, Action RPG etc), das "Shooter-Genre" (Actionshooter, Taktikshooter, RPG-Shooter), das auseinandergefledderte Strategie-Genre, das für jede Unterkategorie ein eigenes Genre beansprucht (Echtzeit, Aufbau, Runden), ein "Simulationsgenre" (Sportsimulation, Wirtschaftsimulation, Flugsimulation) und einige, die ich wahrscheinlich vergessen habe.
    Dieser Begriff von Genre ist etabliert - Gut. Aber ist er auch sinnvoll? Neben der Tatsache, dass sich einige Spiele gar nicht einordnen lassen, wie z.B. die Sims, gibt es bei anderen Überschneidungen (Wirtschaftsimulation - Aufbaustrategie).
    Also habe ich mir die Freiheit genommen und das Genre nach einer Grundanforderung an den Spieler definiert. Das ist in der Betrachtungsweise wesentlich differenzierter und fördert zu Tage, dass eigentlich kein Spiel nur einem Genre angehört und sich deshalb ein interessanter Mix aus Motivationsanreizen ergibt. Das Mischungsverhältnis beschreiben vielleicht die Genres in ihrer momentanen Begrifflichkeit, aber nicht mehr.
    Strategieelemente sind immer da, wo Entscheidungen zu fällen sind, Rollenspielelemente bei Identifikation, Aufbauelemente bei Kreativität (Danke, Mentat) usw.


    Spielmodi


    Als Spielmodi habe ich Einzel- und Mehrspieler definiert. Vielleicht strittig, weil sich auch Echtzeit oder Rundenbasierung als "Modus" erfassen lassen. Doch ich sehe letztere auf einer anderen Ebene, aber dazu später.


    Der Modus nimmt in den allgemeinen Spielfaktoren meiner Meinung nach die größte Rolle ein. Denn die Entscheidung, ob ich nun Mehr- oder Einzelspieler spiele, ist die grundlegenste überhaupt; deutlich daran zu erkennen, dass so manches Spiel (CoD oder Jedi Knights z.B.) ein separates Shortcut mitbringt.
    Die Behauptung, der Mehrspieler sei einfach ein Grenzfall des Einzelspielers, ist unter Einschränkung durchaus richtig. In dieser Vorstellung wäre aufgrund der schwachen KI der Wettbewerb im Einzelspieler gleich null, gesteigert bis zum Mehrspieler, wo der Wettbewerb sein Maximum erreichen würde. Dies trifft jedoch nur auf einen Teil des Spiels zu, dem freien Spiel, und erfasst auch nicht die Unterschiedlichkeit der Motivationen, die bei dem Wettbewerbsgefälle auftreten.
    Ab einem gewissen Punkt in diesem Gefälle spielt es nämlich keine Rolle mehr, dass man gewinnt, weil der Umstand sowieso gesichert ist, sondern wie man gewinnt. Ihr kennt das ja: Wenn die Map zu einfach ist, probiert man mal eine ungewöhnliche Skillung aus, versucht sich ein bestimmtes Artefakt-Set zusammenzusuchen oder ähnliches. Diese völlig neue Motivation ist der "Erfolg des Einzelspielers in seinem Versagen der Simulation des Mehrspielers", die ich meinte. Und sie ist durchaus reizvoll. So reizvoll sogar, dass es unklug wäre, sie nur als behelfsmäßige Nebenerscheinung abzutun.


    Man könnte nämlich, und hat es auch schon getan, die "Intelligenzdifferenz" zwischen Mensch und KI mit Beschränkungen auf Seiten des Spielers auszugleichen, die in der Spielmechanik verankert sind.
    Bräuchte man zum Beispiel in einem vollkommenen Mehrspieler-Heroes einen festen Kreaturenzuwachs? Nein, er würde sich über die Einnahmen vollkommen automatisch regeln lassen. Mittlerweile schafft das vielleicht auch die KI, die sich im Laufe der Zeit ja auch entwickelt hat, insgesamt ist dies jedoch ein Abstrich, der zu Gunsten des Einzelspielers gemacht wurde - und anschließend auf den Mehrspieler übertragen.


    In dieser Art manifestiert sich auf der Ebene des freien Spiels also bereits eine Mehr- oder Einzelspielerausrichtung der gesamten Spielkonstruktion. Hier schlagen sich selbst Lappalien wie die "Umsetzung der Wartezeiten im Mehrspieler" nieder


    Doch was stellen wir dann erst mit den Kampagnen oder Szenarios an? Diese sind in einem reinen Mehrspieler-Spiel kaum zu realisieren, weil jeder Beteiligte eine mehr oder minder lineare Rolle einnimmt - Was wohl zu langweilig wäre, obwohl das noch niemand so richtig ausgetestet hat...
    Und wieder ist die Motivation eher eine Rollenspiel-Motivation als ein strategischer Anspruch, dieser liegt beim Szenarion nur in dem wie? und nicht ob?



    Nach diesem Exkurs zurück zum Konstruktionsplan eines Spiels. Da der Spielmodi die erste Entscheidung im Spielentwurf darstellt, kann alles andere nur darauf aufbauen.
    Wir setzten nun das Grene auf den Spielmodus auf, also die Anforderungen, die wir eigentlich an den Spieler stellen wollen. Dafür brauchen wir jedoch ein Verbindungsstück, die von mir genannte Methode der Rundenstrategie oder Echtzeit oder wie auch immer, die den Modus auf das Genre abstimmt. Ob der Begriff nun schlau gewählt ist oder nicht, ist mir wiederrum völlig wurscht, wenn ein besserer Vorschlag kommt, dann her damit!
    Im letzten Schritt verpackt man das Spiel dann mit einer Hülle, dem inhaltlichen Setting, einer Atmosphäre usw. Das ergibt sich aber meistens aus den drei vorangegangenen Schritten.


    So, und auf dieser Grundlage sollte mein letzter Post zu verstehen sein :lol:


    Ich glaube kaum, dass irgendwelche Spieleentwickler sich eigentlich bewusst sind, welche komplexen Gebilde sie erzeugen.



    Deine Ergänzung um einem dritten Anforderungsbereich finde ich übrigens höchst interessant Mentat, auch wenn die Bezeichnung Aufbau irgendwie bei meinen weiteren Überlegungen etwas aus dem Rahmen gefallen ist. Ich habe mich mit der interaktiven grafischen Gestaltungsmöglichkeit des Spielers beschäftigt, die wir belustigenderweise ja schon im ersten Gedankenexperiment intuitiv erfasst hatten.
    Dabei ist mir aufgefallen, dass diese Motivation sogar auf dem Schlachfeld zu finden ist, nicht jedoch in der Rundenstrategie. Wie oft habe ich zum Beispiel in einer Echtzeit-Schlacht taktisch unkluge Manöver ausgeführt, nur um Zeuge eines bombastischen Ansturms oder einer Salve aus Geschossen zu werden...das passt allerdings wie gesagt nicht in den "Aufbau" - der in seiner Reinform übrigens in Echtzeit mehr und mehr verloren geht und sowieso eher auf der Abenteuerkarte (einer symbolischen Abstraktion) zu finden ist.


    Aber diese "Wissenschaft" scheint mir sowieso sehr jung und lechzt nach weiteren Begriffen...
    Um endlich mal den Thread in seiner eigentlichen Thematik voranzubringen fehlt mir gerade die Schreibenergie - aber ich habe jetzt Winterferien - Meine letzten!



    Grüße
    grumpy

  • Genre?
    Nach wie vor sehe ich keine für dieses Thema gewinnbringenden Erkenntnisse auch nur vorsichtig am Horizont aufleuchten, die sich aus den vorangehenden Versuchen die konstruierte Kategorisierung von Computer-Strategiespielen neu zu ordnen ergeben würde. Wenn der tradierte Rundenstrategiebegriff euch nicht reicht, so denkt euch seiner statt eben eure Modi, was letztlich keinen Unterschied macht, weil es dabei lediglich um ein Definitionsproblem für ein und dieselbe Sache Rundenstrategie handelt. Wie viel Aufbau-, Rollenspiel- oder Simulationsanteil darin steckt bleibt doch letztlich nebenranging, weil wir wissen, was wir mit Rundenstrategie meinen, obschon wir strukturell unterschiedliche Definitionen verwenden mögen.


    Einzel- und Mehrspieler II
    Allerdings kann nicht mit Mentats Auffassung mitgehen, dass Einzel- und Mehrspielerspiele fundamental unvereinbar seien. Frei heraus gesprochen halte ich das für ausgemachten Blödsinn, denn, wie bereits gesagt, ist es doch tatsächlich so, dass die Spielmechaniken stets dieselben bleiben, wo Einzel- und Mehrspieler zugleich möglich sind (Beispiele? Alle Computerspiele mit Einzel- und Mehrspieler). Diese bestehende Möglichkeit ist der springende Punkt, denn ohne sie, wie beispielsweise bei Knobelspiele würde sich das Spiel andernfalls ad absurdum führen, sich im Selbstwiderspruch auflösen.


    *


    Zur eigentlichen Thematik
    Diesen netten Ausspruch tätigte Mentat am Ende seines letzen Beitrages und ich möchte diesen an dieser Stelle wieder aufgreifen. Mir ist bewusst, dass es keine wirklichen Quellen für derartige Untersuchungen gibt und ich würde Mentat auch in seiner Feststellung folgen, dass den allermeisten Computerspieleentwickler nicht bewusst ist, welch komplexe Gebilde sie entwerfen und programmieren. Dennoch sollten wir versuchen ein wenig in dieses unerforschte Territorium vorzustoßen, wobei ich im Gegensatz zu Mentat mich dafür aussprechen würde, weitgehend auf die tradierten Begriffe zu setzen, statt in meinen Augen abseitige Umdefinierungen vorzunehmen.


    Was macht sie also nun aus, die Rundenstragie? Nun, es mag trivial scheinen, aber an dieser Stelle soll wirklich ganz am Anfang angesetzt werden, zunächst einmal ist es offensichtlich die Unterteilung des Spielverlaufes in die namensgebenden Runden. Wer dem widerspricht, der besitzt keinerlei Kompetenz bezüglich dessen, was (nicht nur) in diesem Thema unter Rundenstrategie verstanden wird.


    Wie verhält sich diese Rundenbasierung nun zum Spieler? Sie lässt sich in Form einer Entropieverringerung verstehen, die sich zyklisch in jeder Runde wiederholt, wobei die Größe der Entropie am Rundenanfang variieren kann, diese am Ende einer Runde allerdings stets auf den Nullwert sinkt. Was ist damit gemeint? Dies besagt, dass am Rundenanfang viele verschiedene Möglichkeiten möglich sind, wie der Spielzug, also die betreffende Runde, gestaltet werden soll; Spielzug und Runde sind also synonym zu verwenden. Um von Beginn an sinnlose Möglichkeiten auszuschalten, soll der Zusatz nutzbringend den Möglichkeiten vorangedacht werden, da Spieler stets Nutzenmaximierer sind, um den Sieg zu erzielen, wobei sinnlos hier bedeutet, dass betreffende Aktionen ergebnisleer wären, wie z.B. eine Spielfigur (innerhalb desselben Zuges) immer wieder ein Feld vor und zurück zu bewegen, da dies indifferent im Ergebnis (Sieg / Niederlage) wäre, weshalb nutzbringend vor allem ergebnisbringend und somit negativ wie positiv für das jeweilige Ergebnis gedacht werden soll.


    In der Folge bleibt für den Rundenbeginn die Wahrscheinlichkeit bestehen, dass die quantitative Größe der (nutzbringenden) möglichen Möglichkeiten relativ größer oder kleiner ist, der Spieler z.B. in einem Zug nur eine einzige (nutzbringende) Aktion, in einem anderen allerdings derer drei (nutzbringende) Aktionen möglicherweise ausführen könnte. Das Ende der Runde wird gerade durch das Absinken der Anzahl dieser möglichen Aktionen, der möglichen nutzbringenden Möglichkeiten, auf Null definiert. Dabei besteht allerdings ein Unterschied zwischen faktischem und konstruiertem Nullwert: Der faktische Nullwert beschreibt die Situation, in der der Spieler tatsächlich alle (nutzbringenden) Aktionsmöglichkeiten ausgeschöpft hat, wonach in eine Art infinite Repetition verfallend, nur noch sinnlose Aktionen ausgeführt werden könnten, z.B. immer wieder einen Tausch vollziehen zu wollen, der nicht möglich ist; Der konstruierte Nullwert beschreibt die Situation, in der dem Spieler tatsächlich noch gewisse (potentiell) (nutzbringende) Aktionsmöglichkeiten offen stünden, er aber auf deren Ausführung (bewusst) verzichtet, also einen Nullwert konstruiert, indem er analog zum vorigen Beispiel einen möglichen Tausch beispielsweise nicht ausführt. Natürlich liegt diesem Verständnis die Annahme zu Grunde, dass eine objektiv bestimmbare Größe von (nutzbringenden) Aktionsmöglichkeiten für jeden Zug existiert. Diese Annahme gründet sich auf der empirischen Beobachtung wie beim Computer-Schach, in dessen Verlauf ein Computer alle Möglichkeiten durchrechnet, oder traditionellen anderen Brettspielen, in denen bereits durch die Spielregeln die Möglichkeiten des Spielers innerhalb einen Zuges quantitativ begrenzt werden können, beispielsweise Monopoly: Würfeln, Ziehen, Miete zahlen, Kaufen, Ereigniskarte ziehen, Besitz tauschen/verkaufen usw. usf.


    Das Meiste des Genannten mag man vielleicht als common sense abstempeln, aber als ein Ausgangspunkt bezüglich der eigentlichen Thematik sollte dieser in ausformulierter Form durchaus seine Berechtigung besitzen.



    Spielzuggestaltung
    Das Entscheidende der Rundestrategie muss somit die Gestaltung des eigenen Spielzugs, der eignen Runde sein. Wie erfolgt diese Ausgestaltung? Aufgrund der Konstituierung einer Runde durch Entropieverringerung kann diese nur in Ausführung von Aktionen durch den Spieler erfolgen. Ihm müssen also durch das Spiel verschiedene Möglichkeiten gegeben seien. Obschon er das Ende seines Zuges auch konstruieren könnte, indem der Nichts täte, also keine (nutzbringende) Aktion im eigentlichen Sinne ausführte, so würde er immer noch eine Möglichkeit wahrnehmen, und zwar die fundamentale Möglichkeit des Nichts-Tuns, im Brettspiel beispielsweise durch das Würfelweiterreichen symbolisiert.


    Dieser Umstand ändert jedoch nichts daran, dass gerade die möglichen Aktionen zur Spielzuggestaltung den Charakter eines Rundenstrategiespiels mit Eigenschaften füllen, denn in einem Spiel, in dem alle Spieler sich Handelns versagten, würde zugleich auch der Prozess des Spielens selbst versagt und damit ad absurdum geführt.


    Die Ausgestaltung des Spielzugs kann jedoch durch Regeln bereits vorstrukturiert werden, sodass, wie in vielen Brettspielen, beispielsweise zu Beginn des eigenen Zuges stets als erstes gewürfelt werden muss, womit eine gewisse Determinierung des Spielers erfolgt, indem er die Reihenfolge seiner Aktionen nicht völlig willkürlich wählen kann. Nichtsdestotrotz liegt der Reiz gerade in der Ausführung der restlichen, frei wählbaren möglichen Aktionen, die vom Spiel geboten werden. Handeln in diesem Sinne ist der zentrale Punkt, der (nicht allein) die Rundenstrategie ausmacht.


    Das Ziel eines Spieles ist in erster Linie Spaß zu bereiten. Wenn dieser Spaß aus dem Handeln innerhalb eines durch das Spiel gesteckten Rahmens erwächst, so muss die Interessantheit der darin befindlichen möglichen Aktionen sowie deren Zusammenspiel, ihre Diversität als auch die aus dem entsprechenden Handeln erwachsenden Konsequenzen (die wiederum weitere Möglichkeiten und damit weiteres Handeln eröffnen) ausschlaggebend sein für das (qualitative) Spaßerlebnis sein. Daraus ergeben sich einige Fragerichtungen, die in weitere Felder weisen: da man nicht gegen sich selbst (bzw. das Spiel selbst) spielt, sondern gegen (menschliche oder simulierte) Gegner, stehen (bestimmte) Aktionen notwendigerweise in Beziehung nicht zum Spieler, der seinen Zug gestalten will, sondern auch zu Gegenspielern und damit deren Zuggestaltung, weshalb diese Beziehung und mögliche Interaktionsmöglichen offenbar ebenfalls wichtig für den Spaß an der Rundenstrategie sein müssen, und zudem die noch grundsätzlichere Frage nach den Bedingungen, die Möglichkeiten überhaupt erst ermöglichen, so könnten beispielsweise bestimmte Aktionen an Voraussetzungen geknüpft sein, die erfüllt werden müssen, bevor die betreffende Aktion als (potentiell) (nutzbringende) Möglichkeit in den Aktionshorizont des Spielers tritt.


    *


    An dieser Stelle möchte ich meinen Monolog beenden, weil die Fülle an Inhalten sonst Überhand nehmen würde. Ich weiß, das war alles mehr oder minder Bestimmung des Ist-Zustandes, aber um einen möglichen Soll-Zustand zu formulieren, müssen wir uns in meinen Augen nun einmal zunächst über das Ist verständigen, um zu verstehe, an welchen Stellen Kniffe unter Umständen Zuwächse in qualitativer Hinsicht mit sich bringen könnten...


    Schöne Feiertage euch allen noch!


    Gruß
    Tobius

  • Tobius: Ich stimme dir zu, aber ich habe das Gefühl. dass wir diese Ergebnisse schon früher hatten, wenn auch nicht mit dieser Herleitung. ;)


    Als Ordnungsfanatiker muss ich das Ganze mal in eine Struktur zwängen: :besserwisser:
    Wir können einem Spiel aktive und passive Funktionen zuschreiben. Aktive Funktionen sind solche, bei denen der Spieler selbst handeln muss, weil hier der Erfolg motiviert; es geht um die von Tobius beschriebenen nutzbringenden Aktionen. Bei passiven Funktionen motiviert allein das Erleben, auch ohne Aktivität des Spielers. Hier sind v.a. grafische Effekte oder auch die Entwicklung der Charaktere innerhalb der Kampagnenhandlung relevant. Schließlich kann es auch noch Mischformen geben, etwa wenn aktive Handlungen direkt eine grafische Funktion oder die Gestaltung der Geschichte zum Ziel haben.


    Wenn man sich zunächst rein auf die aktive Komponente beschränkt, kann man die Trennung zwischen Einzel- und Mehrspieler in der Tat vernachlässigen für den passiven Anteil halte ich sie dagegen für sehr wichtig. Das hat ja auch grumpy schon angesprochen, indem er zwischen Szenarios und freiem Spiel unterschied.


    Nun zu den konkreten Zielen im reinen aktiven Anteil: Wie Tobius schon beschrieben hat, braucht der Spieler eine große Anzahl von Möglichkeiten/ Freiheiten für nutzbringende Aktionen. Diese haben aber nicht primär den Zweck, Abwechslung zu erzeugen! Die Funktion von Abwechslung kann durch Freiheiten natürlich auch geschaffen werden, aber dies ist viel mehr für den passiven Anteil wichtig, denn da braucht man möglichst gebalancte Vielfalt, um verschiedene gleichwertige Optionen ausprobieren zu können. Im erfolgsorientierten Fall ist dagegen Denkleistung erwünscht, d.h. es gibt innerhalb der Freiheiten bessere und schlechtere Alternativen, die durch Analyse der Situation herausgefunden werden können.


    Der in diesem (reinen aktiven) Bereich zweite wichtige Punkt ergibt sich direkt aus der Situationsabhängigkeit und wurde ja auch schon von Tobius angesprochen:

    Zitat

    da man nicht gegen sich selbst (bzw. das Spiel selbst) spielt, sondern gegen (menschliche oder simulierte) Gegner, stehen (bestimmte) Aktionen notwendigerweise in Beziehung [...] zu Gegenspielern und damit deren Zuggestaltung


    Freiheit erlaubt zwar qualitativ eine komplexe Analyse von Problemen, aber nicht unbedingt quantitativ eine hohe Zahl. Wenn man z.B. 12 Einheiten zur Auswahl hat, von denen eine Kombination eindeutig als das beste bestimmt werden kann, wird es wahrscheinlich eine Zeit dauern bis man diese gefunden hat, aber anschließend sind hier keine Überlegungen mehr erforderlich. Man braucht also variierende Situationen, unter denen jeweils andere Aktionen den meisten Nutzen bringen. Diese Bedingungen können durch den Gegenspieler gegeben sein, aber ebenso auch durch Karteneigenschaften.
    Was die Bedingungen betrifft, die bestimmte Möglichkeiten erst ermöglichen, so lassen sich die ebenfalls in vom Spieler beeinflussbare Faktoren (-> Freiheiten) oder äußere Faktoren (der Karte, des Gegners, der grundsätzlichen Spielregeln) unterteilen.


    Wie gut sich das dann anwenden lässt, könnte man nun in den einzelnen Spielbereichen überprüfen. Z.B. verläuft der Bau von Kreaturenbehausungen, Wirtschaftsgebäuden und Befestigungsanlagen in Heroes mehr oder weniger parallel und meistens nach dem gleichen Schema ab. Es wäre also sicher sinnvoll, hier einen situationsabhängigeren Stadtaufbau zu fördern.

    Die kausale Unabhängigkeit der Quarks von unserer Rede ist kein Merkmal der Realität (im Sinne des Gegenteils der Welt des Scheins), sondern sie ist einfach ein unbezweifelter Bestandteil unseres Redens über Quarks.
    Richard Rorty

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  • Ich klink mich hier mal kurz ein. Falls ich euch gefragt habt, was der sonst hier so aktive Kobold gerade macht. Natürlich verfolgt er diese Diskussion. Allerdings ist mir das irgendwie alles viel zu theoretisch. Ich bin da eher praktisch-kreativ. Zumal ich in diesen Buchstabenwüsten jetzt auch keine Information entnehmen kann, die irgendwie neu oder überraschend für mich wäre. Irgendwie leitet ihr hier meiner Meinung nach einfach nur in vielen Worten das - zumindest für mich - Selbstverständliche her und stellt es dar. Von daher habe ich dazu erstmal nicht viel zu sagen. Aber ich lese weiter mit und werde mich auch äußern, sobald es hier konkreter wird.

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