TdW 10/15: Polio und Taliban

    • Offizieller Beitrag

    Es mag etwas abstrus klingen. Eine fast ausgerottete Krankheit und eine Gruppierung religiöser Extremer - Wo soll da ein Zusammenhang sein?


    Interessanterweise mag es diesen Zusammenhang doch geben. Der US-Geheimdienst liquidierten den damals wohl meistgesuchtesten Mann der Welt über einen interessanten Trick: Sie finanzierten eine Impfkampagne! Man schickte also einen pashtunischen Arzt (in finanzieller Notlage) einen batzen Geld und anschließend von Tür zu Tür um doch mal alle Kinder dieser Region gegen Polio zu Impfen. Nordpakistan (das Gebiet, das mit Indien strittig ist und zu Teilen mal Kashmir genannt wurde) galt schließlich als eines der letzten Reservoire dieses Virus. Als besagter Arzt dann an die schwere Eisentür einer Villa in Abbottabad klopfte und sturrköpfig darauf beharrte, dass man ihm zumindest die Handynummer des Hausherren aushändige, wenn die Frauen im Haus die Entscheidung zur Impfung nicht treffen dürften, schnappte die Falle zu. Das CIA hatte damit die Handynummer von Bin-Ladens Bodyguard und kurze Zeit später Schlug dann das US-Militär der Hydra den Kopf ab. Wie sinnig es ist eine Hydra zu köpfen ist eine andere Diskussion. Hier interessiert uns nur der Rückschlag dieser Aktion: Polio kam zurück!
    Polio ist ein unfassbar gut an den Menschen angepasster Virus, vielleicht nicht so gut wie die gemeine Grippe, aber schon seit Jahrtausenden Teil einer Koevolution. Die grausige Verkrüppelungen die Polio hervorrufen kann scheinen fast wie ein Versehen! Dies mag zynisch klingen, aber man muss sich hier klar machen, das Viren genetische Parasiten sind. Sie selbst sind nicht lebendig und nutzen die (Zell-)Reproduktionsmaschienerie ihres Wirtes um sich zu vermehren. Ein guter Parasit sollte seinen Wirt nicht töten. Das bringt mehr Nach- als Vorteile mit sich.
    Offensichtlich verbanden die verbliebenden Taliban die Aktion nun mit den Polioimpfungen und die ohnehin schon ablehnende Haltung der Bevölkerung ("Was ich nicht verstehe, das mag ich nicht!") ergänzte sich nun um gezielte Schläge der Taliban gegen Impfhelfer. Man wollte es offensichtlich nicht riskieren, dass noch mehr Terrorführer gefunden werden und nahm dafür die Seuche in Kauf. Flüchtlingen und Dshihadisten folgte der Virus dann in alle anderen Brennpunkte des Terrors, mitunter nach Syrien. In Syrien tobt nun ein Krieg, der weite Teile des Landes zurück in mittelalterliche Strukturen wirft. Dennoch bekam die Kampagne gegen Polio hier von unerwarteter Seite Hilfe: den IS-Gruppierungen, welche die Impfungen wieder erlaubten. Die IS-Führer sahen hier wohl ein, dass eine Polio-Epidemie ihren Zielen nicht hilfreich ist.


    Es bleibt also die Frage: War es das wirklich Wert?
    Terror gegen eine Seuche tauschen, es hat was von Pandoras Büchse...


    Diskutierte Artikel (englisch):

    ALLES WAS ICH ANSABBER' GEHÖRT MIR!

    4 Mal editiert, zuletzt von Quappe () aus folgendem Grund: Paar Wortdreher behoben. Links aktualisiert.

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