Gute Platten Vol. 2

  • Hallo zusammen,


    einige erinnern sich vielleicht noch an den alten gewobenen und schließlich zerfaserten Faden "Ein paar gute Platten...", der vor einiger Zeit ja tatsächliche einige gute Platten zu Tage förderte -- allerdings noch längst nicht genug!


    Aus diesem Grund also folgt nun die Vol. 2, die hoffentlich noch weit mehr gute Alben beinhalten wird.


    Ja, die "Regeln", an die sich ja notorisch sowieso kaum einer hielt, sind ad acta gelegt. Hauptsache es handelt sich um ECHTE ALBEN für CD oder das gute alte Vinyl. Dieses Mal also bitte euch bloß auf Best-Of-Versuche etc. zu verzichten: Und das dürfte doch nun kein großer Verlust sein, oder?


    Ich freue mich auf eure Ideen! Und natürliche werde ich auch wieder ein paar (obskure) Pressungen einbringen.


    Beste Grüße
    Tobius

  • The Knife - Silent Shout
    [V2 Recrods; 2006]



    Das Electronica-Duo der Geschwister Karin und Olaf aus IKEA-Land hat mit diesem Album eines der besten Alben der vergangenen Nuller-Jahre (die in meinen Augen insgesamt albenmäßig leider eher bescheiden ausfielen) hingelegt!


    Das Album ist durchzogen von ausgefeilten Klangtüfteleien, die außerordentlich stimmungsvoll und atmosphärisch daher kommen, dabei aber nicht klischeeisiert oder abgenutzt wirken, sondern eine gereifte Melange der elektronischen Stilrichtungen darstellen, die mal vom Ambient beeinflusst scheinen, wie etwa beim über dreiminütigen Intro des Tracks "The Captain" und in "Na Na Na", das nur aus traumhaften Klang-Fächern und chinesisch anmutendem Gesang zu bestehen scheint, aber in Tracks wie "Neverland" auch einen stoischen Four-to-the-Floor House-Beat aus dem Subwoofer blasen können.


    Dabei fügen sich all diese Versatzstücke jedoch stets in wunderbare Pop-beeinflusste Melodien und Songstrukturen, die getragen werden von den Mal mehr, Mal weniger stark vocoderten Stimmen der Beiden, meist aber Karins, die zuweilen etwas an Björk erinnern mag ("Marble House"), dabei aber nie in ausgetretene Mainstream-Fade abrutschten, sondern eine Ecke Experimentierlust und Innovation zeigen, wie etwa die einleitende Frickelei bei "We Share our Mother's Health", die schließlich in einen in Tonhöhen immerzu schwankenden Tom-Groove einmündet.


    Überhaupt bilden die stets geschmeidigen Grooves das Rückgrat des gesamten Albums, wobei "Like A Pen" die wohl am ehesten Cluborientierte Ausformung der Beats (etwas Glitch à la Villalobos ist auch dabei) präsentiert, obschon das Album schließlich den Hörer mit dem fast schon minimalistischen "Still Light" entlässt, welches im Prinzip nur aus zwei gegeneinander gesetzten und stetig variierten Synthie-Stimmen besteht. Dies zeigt aber nur den Abwechslungsreichtum, den Silent Shout bietet!


    Ein Album also, dass dem geneigten Pop-Hörer faszinierende elektronische Musikblühten hinreicht, dem Electronic-Hörer interessante Mischungen verschiedenster Einflüsse darbietet und dem Rock-Hörer womöglich eine neue Musikrichtungen erschließen könnte.


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    Anspieltipp: Silent Shout
    Der Eröffnungstrack des Albums zeigt zugleich auch am meisten etwas von Allem, das auf dem Album zu finden ist: geschmeidige Grooves, die Vocoder-Stimmen, die Popmelodien und die stimmungsvollen Synthie-Layer.

  • Ach, kommt schon: Mir kann doch niemand weismachen, dass hier keine Musik mehr gehört würde im DW (siehe "Was hört ihr gerade" usw.) und dabei niemand ein paar Favoriten findet? Ich versuche also einfach Mal einen Ruck zu geben: heute ein Genre, das bislang noch gar nicht zu Wort kam: Jazz!


    Charles Mingus The Black Saint and the Sinner Lady
    [Impulse!; 1963]



    Ich glaube, dieses Album Mingus' gilt weithin als einer der größten Würfe in der Geschichte der Jazz-Musik und mit Sicherheit als Mingus' Opus Magnum. Er legte die vorliegende Komposition im Geiste einer Jazz-Ballett-Suite an, was auch die Titel der einzelnen Tracks spiegeln.


    In der hochemotionalen Komposition verarbeitete Mingus nicht bloß seine eigene Psyche (und ihre Probleme), sondern vielmehr legte er sie als konzeptuelle Ausarbeitung über Liebe und deren Hindernisse an. Allerdings umfasst die Komposition dabei so viele so unterschiedliche emtionale Färbungen, dass es nahezu unmöglich scheint, das Album auf irgendeinen Punkt festzunageln: Aus diesem Grund mag es dem Jazz-Neuling vielleicht nicht allzu leicht fallen, einen Zugang zu finden.


    Ebenso gut jedoch könnte dieses lebendige und reiche Meisterwerk ihn in seinen Bann schlagen, mit seinen vielschichtigen Texturen und abwechlungsreichen tonalen Farbstürmen, die Mingus in seinem Perfektionismus wirklich mit größtmöglicher Aufmerksamkeit bedacht hat, was im brillanten Schlusstrack des Albums gipfelt, der den Hörer schlichtweg umhaut, so atemberaubend das Tempo, die Emotionen, einfach alles.


    Und auch für denjenigen, der keineswegs neu zu Jazz ist, hält dieses Werk sicher einige Überraschungen bereit, denn insgesamt abgesehen von erkennbaren Einflüssen wie Ellington, der zeitgenössischen Avant-Garde (Free-Jazz) sowie einigen Flamenco-Gitarren-Passagen ist dieses Meisterwerk vollkommen anders, als alles, was zuvor kam.


    Unglaublich ist beim Hören zudem, dass Mingus dies alles mit nur 11 Musikern realisierte: Die Vielschichtigkeit des Werkes unterstreicht somit nochmals die herausragende Stellung von The Black Saint and the Sinner Lady.


    Sehr erfreulich zudem, dass Impulse mit den Mastersessions hier ein 20-Bit-Remaster in CD-Form anbietet, das dem Werk erst die Möglichkeit gibt, seine ganze überbordende Lebendigkeit ausleben zu können. Absolut empfehlenswert. Und ein Muss für jeden Jazz-Freund. Sofern noch nicht in der eigenen Sammlung: Sofort kaufen! :)


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    Anspieltipp: Track B - Duet Solo Dancers
    Der zweite Track des Albums ist womöglich einer der zugänglicheren, auch weil er mit einem wunderbaren Klaviersolo zu Beginn dem Hörer die Möglichkeit bietet, sich langsam heranzutasten: Alles weitere einfach selber hören!

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