Jetzt doch einer neuer Beitrag, denn mir ist mal wieder der Kragen geplatzt (Pressewitze Thread? Ja, aber ohne Hintergrundwissen versteht man den Jux nicht..):
Miosga: Und zur Annäherung von Regierung und Opposition zum Fiskalpakt nun ein Kommentar von Ullrich Deppendorf:
ZitatAlles anzeigenNa bitte, geht doch!
[...]
Letzlich sind sich alle einig - wie in Brüssel, als auch in Berlin: Der Fiskalpakt muss kommen - ohne Haushaltssanierung und Sparprogramme wird Europa nicht konkurenzfähig bleiben. Wachstumsprogramme müssen ebenfalls kommen, aber bitte sinnvoll und konkret, damit besonders die erschreckende Jugendarbeitslosigkeit in den Krisenländern abgebaut werden kann.
Wenn man den europäischen Staats- und Regierungschefs einen Vorwurf nicht ersparen kann, dann diesen: Auf Wachstumsanreize haben sie zu spät gesetzt. Auch die Kanzlerin. Umso besser, dass die Regierung und große Teile der Opposition jetzt zusammenarbeiten wollen, wer von dem ersten großen Treffen heute allerdings bereits Lösungen erwartet hatte, der gehört in das Reich der Politträumer. [...]
Vor dem Hintergrund der drohenden Griechenlandpleite, muss der Fiskalpakt im Bundestag noch vor der Sommerpause verabschiedet sein. Seit heute ist dies wahrscheinlicher geworden. Also, weiter so wie heute - geht doch!
Miosga: (Ullrich Deppendorf kommentierte.) Fiskalpakt! Schuldentilgunspakt! Wachstumspakt! Wie wichtig es ist Lösungen in der Schuldenkrise zu finden, zeigt sich, wenn man mal hinter diese hochkomplexen Wortungestüme schaut. Dann sieht man, wieviele Schicksale diese Krise in den Abrund reißt. Ganz ohne Sparen geht es nicht - das haben alle gesehen - doch was passieren kann, wenn man nur spart, dass zeigt das Beispiel einer Firma in Spanien. Dort mussten die Menschen große Einschnitte verkraften, wodurch schnell die Kaufkraft sank, Firmen weniger verkauften und ihre Angestellten entlassen mussten. Daraus ist ein Teufelskreis entstanden, denn die vielen Arbeitslose in Spanien können sich die meisten Produkte gar nicht mehr leisten - und so sinkt die Kaufkraft weiter. Annekarin Lammers berichtet:
ZitatAlles anzeigen[Im Beitrag eine spanische Hemdenfabrik - Aus dem Off wird erklärt, dass
die Spanier seit Beginn der Krise 40% weniger für Kleider ausgegeben
haben und die Fabrik daher 70 von 100 Mitarbeiter entlassen musste, um
zu überleben. Die Sorgen würden aber bleiben..]
Produktionsleiterin: Das größte Problem im Moment ist die Finanzierung,
keiner gibt einem mehr Kredite. [...] Von außen bekommen wir überhaupt
keine Mittel.
[... weiter aus dem Off] Es ist eine Abwärtsspirale, deshalb rufen viele
Experten nach dem Eingriff der europäischen Zentralbank.
WiWischaftler der Uni Madrid: Kurzfristig muss die EZB mehr Staatsanleihen
aufkaufen, um die hohen Zinsen zu senken, die Spanien zu ersticken
drohen.
[... und Off] Die spanischen Unternehmen müssen investieren, um
wettbewerbsfähig zu bleiben und neue Märkte zu erschließen. [...] Gerade
im Export hat Spanien in diesem Jahr deutlich zugelegt, das Land hat
Potential, doch dafür benötigt es Vertrauen und günstiges Geld.
Also, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll (wollte es aber ohne Unterbrechung zitieren, vlt wiederholt sich dadurch vieles).
Beginnen wir mit dem Fiskalpakt selbst - was ist das eigentlich? Nun habe ich gerade keine Lust, aus seriösen Quellen zu zitieren (TT ja auch nicht), also berichte ich aus meinem Standpunkt: Der Fiskalpakt besagt fast nichts. Z.B. ist "die Mitgliedsländer verpflichten sich, einen ausgeglichenen Staatshaushalt zu führen (oder einen Überschuss)" wirklich völlig lachhaft, genauso wie "die MGStaaten verpflichten sich, ihre Schulden und Defizite zu verringern" oder "es werden automatische Sanktionen verhängt". Blanker Hohn, all' das ist NIE passiert - warum sollte das jetzt jemand schaffen? (Darüber hinaus ist es - soweit ich das durchschaue - aus volkswirtschaftlicher Sicht auchnoch schädlich) Für mich einzig relevant im FP: "Die Mitgliedstaaten stimmen einer Abänderung des ESM zu, der zudem ein Jahr früher in Kraft tritt." (vielleicht auch: "MGStaaten anerkennen die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs")
Für mich ist - mit Ausnahme Zuletztgenanntem - der Fiskalpakt also ebenso mit Bleistift geschrieben, wie Maastricht, sein Vorgänger. Eingehalten wurde Maastricht selten (auch von D nicht), wie vorgesehen bestraft wurde ein Vergehen - tada - noch nie! (PS hier: D hält Maastricht heute zumindest im Sinne der Neuverschuldung ein; ich wollte das nicht verschweigen, wollte aber auch nicht auf die (europa-schädigenden) Gründe eingehen...)
Witzig übrigens: Das habe ich 2010 im "Griechenland - was ist denn da los"-Thread geschreiben:
ZitatAlles anzeigenWas nicht geregelt ist, ist, wenn ein Mitgliedsstaat pleite geht! Formal
darf nicht geholfen werden (s.o.), andererseits darf auch nicht nicht
geholfen werden, denn dann wäre die gemeinsame Währung bedroht. (Ihr
habt ja Recht, man darf helfen: Man darf eine unabhängige Instutition
gründen, die Gelder an Griechenland zahlt. Nur die Mitglieder dürfen
eben nicht an Schuldner zahlen!) Naja. Gut, dass wenigstens das [mit der
Währung] geregelt ist (max. 3% des BIP als Schuldenobergrenze),
schlecht, dass ein Vergehen noch nie bestraft wurde! Und da sind wir doch schon in der Gegenwart angekommen. Dieser Pakt muss neu diskutiert werden!
Insbesondere, da man begriffen hat, "dass auch Staaten der Euro-Zone ein
Ausfallrisiko aufweisen können" (Friedrich Heinemann, ZEW), ist klar,
dass die EU ohne einer Neuverhandlung des Stabilitätspakts nicht
gesichert ist. In Thomas Mayers Worten (Chefökonom der Deutschen Bank):
"ohne Insolvenzordnung ist das Überleben der Währungsunion nicht
gesichert." oder "worauf es jetzt ankommt, ist, dass man einen
geordneten Bankrott von Staaten möglich macht."
PS: Achja! Ursprünglich wurde doch auf Zeit gespielt, um eine geordnete Insolvenz zu ermöglichen. Ist da bis heute eigentlich gar nix passiert?
[Zitat: "wer von dem ersten großen Treffen heute allerdings bereits Lösungen erwartet hatte, der gehört in das Reich der Politträumer."]
[Zitat: "Der Fiskalpakt muss kommen - ohne Haushaltssanierung und Sparprogramme wird Europa nicht konkurenzfähig bleiben."]
[Zitat: "Fiskalpakt! Schuldentilgunspakt! Wachstumspakt! Wie wichtig es ist
Lösungen in der Schuldenkrise zu finden, zeigt sich, wenn man mal hinter
diese hochkomplexen Wortungestüme schaut." ]
Wer will, guckt hier , wie Tagesschau.de den Fiskalpakt erklärt (in einem gefühlt zehn-sekündigem Video)
Naja, wer heute von Schulden, Zinsen, Defiziten und Sparen spricht, der ist ja ohnehin out. Nicht umsonst leitet Deppendorf (im Kommentar; die TT im anschließenden Bericht aber selbst auch) den Fokus schnell auf "Wachstumsprogramme" und "Wirtschaftswachstum"- sonst kann diese fiese "Arbeitslosigkeit", schlimmer noch "Jugendarbeitslosigkeit", nicht bekämpft werden!
Also jetzt mal unter uns. Wann haben wir das hier diskutiert? Wann haben wir hier im DW festgestellt, dass ein auferlegtes Sparen zu einem 1A Staatsbankrott führen muss? Zitiere ich Merkel von 2008 nicht fast täglich mit "Das Schlimmste ist, in die Krise hineinzusparen"? Und jetzt? Jetzt ist das der große Ausweg (sparen und(!) Wachstum)? Is' das bitter...
Jetzt suggerieren die Tagesthemen darüber hinaus im anschließenden Bericht, die Lösung des Problems wäre (mal wieder) billiges Geld der EZB - es führt zu Wirtschaftswachstum! Die arme Produktionsleiterin bekommt "keine Mittel von außen" und der WiWi (Student?) erklärt, dass die EZB gerade das bewerkstelligen könne (oder warum wird sein Statement in den Fabrikbericht geschnitten? Außerdem: Hat die EZB nich gerade Staatsanleihen für eine Billionen gekauft?).
MMn spricht immernoch keiner über das Problem an sich - dem Finanzsystem. Deutlich wird das in den Tagesthemen z.B. daran, dass ein größerer Export Spaniens dessen Lage verbessern würde. Soweit klar, wenn Spanien aber 20% nach Frankreich und rund je 10% nach Deutschland, Italien und Portugal exportiert, dann ändert sich am Schuldenstand der EU quasi gar nichts (Nullsummensystem; aus unserer Sicht übrigens super, wir erhielten ja die Waren ;)). Da wir neue Schulden brauchen können Papiere wie Maastricht oder eben Fiskalpakt gar nicht eingehalten werden.
Leider vermutet man insgesamt dann schnell, dass der Fiskalpakt lediglich der Ratifizierung des ESM/Pluspakt wegen, so prompt und problemlos unterzeichnet wird. Sind sich doch diesmal alle einig (Regierung und Opposition (klar, braucht's doch national auch eine 2/3 Mehrheit), aber auch Funk und Fernsehen). Schade...
Grüße, IP