Was die aktuelle "Liste angeht": Ja, der Inhalt ist fast identisch! So weit, so schlimm!
Aber: Die EU-Liste waren Forderungen der EU, damit GR eine vertraglich zugesagte "Scheibe" aus einer Kreditzahlung bekommt. Diese sollte dann direkt zur Zahlung von Zinsen und Tilgung an die "Geldgeber" verwendet werden...
Die Tsipras-Liste soll aber neues Geld einbringen und sieht vorerst keine Zins- und Tilgungszahlungen vor..
Soweit ich das verstanden habe, sind beide Listen als Bedinung für weitere Zahlungen aufzufassen. Wozu diese dann genutzt werden (s. dazu auch unten), war bei den Reformvorschlägen selbst ja erstmal irrelevant. Daher zog ich unabhängig von diesem Gedankengang den Schluss, dass Tsirpas sein eigenes Referendum ad absurdum geführt hat. Und ich fühle mich aktueller Geschehnisse wegen bestätigt.
Lesen wir dazu die Tagesschau - in einem Interview mit "Ökonom" Brzenski, Chefvolkswirt der ING Diba und laut TS "einer der profiliertesten Experten in Sachen Eurozone" (hehe).
Alles anzeigenTS: Herr Brzeski, die Eurozone und Griechenland haben sich auf die Umrisse eines dritten Hilfspakets geeinigt. Lässt sich schon ein erstes Fazit ziehen? Carsten Brzeski: Ich denke schon. Mein Eindruck ist, dass die Griechen ganz schön viel geschluckt haben. Richtig heftig.
TS: Zum Beispiel?
Brzeski: Von der Mehrwertsteuererhöhung bis zur Rentenrefrom - was monatelang hochumstritten war, müssen die Griechen jetzt in zwei Tagen durchs Parlament peitschen, und zwar in der Maximalvariante. Und bis nächsten Montag sollen die Abgeordneten gleich noch eine zweite Welle an Gesetzen beschließen, darunter anscheinend auch Reformen, über die bislang noch gar nicht groß debattiert wurde. Alles in allem ist das der ultimative Test. [...] Die Eurozone sagt, wenn wir Euch weiter unterstützen sollen, dann zeigt Ihr erst mal, dass Ihr es ernst meint [...].
TS: Warum lässt Tsipras sich darauf ein?
Brzeski: Weil seine einzige Alternative der Grexit gewesen wäre. Und den wollte er offenbar unter allen Umständen vermeiden.
TS: 82 bis 86 Milliarden Euro, so heißt es in dem Dokument von heute früh, brauchen die Griechen in den kommenden drei Jahren. Das Geld dürfte zum großen Teil aus dem Rettungsfonds ESM kommen. Aber wo fließt es letztlich hin?
Brzeski: Mit dem Geld sollen die Griechen drei Jahre lang die Finanzierungslücken in ihrem Haushalt schließen. Es stellt also beispielsweise sicher, dass der Staat weiterhin die Renten ausbezahlen kann. Und natürlich ist das Geld auch dazu da, dass die Griechen ihren Verpflichtungen gegenüber den bisherigen Gläubigern nachkommen kann. Ein großer Teil des ESM-Geldes fließt also in letzter Konsequenz an die EZB und den IWF ...
TS: ... und nicht in Investitionen für die griechische Wirtschaft?
Brzeski: Nein. Es geht erst in einmal schlicht darum, den Staatsbankrott abzuwenden. [...]
So, bis hierhin erstmal. Wir verifizieren mal ein bißchen, und widerlegen eine Kleinigkeit.
1. Die Griechen alias Tsirpas schlucken im Moment alles. Ohne Einschränkungen. In der Maximalvariante. So weit so paradox hinsichtlich Referendum. Tsirpas hat wohl Merkels "alternativlos" begriffen. (Das Erhalten von) Kapital ist alternativlos - die Demokratie nicht. Oder in fremden Federn: Wo das Kapital anfängt, hört die Demokratie auf*. Das ist bzgl. Griechenland spätestens seit dem Ausgang des Referendums Fakt.
*Dazu noch diesen kleinen Satz aus den EU-Forderungen (von heute)
"The government needs to consult and agree with the Institutions on all draft legislation in relevant areas with adequate time before submitting it for public consultation or to Parliament."
Nice!
Nee, ein "Nice" wird dem (Wahn-)Sinn des Satzes nicht gerecht!
2. Griechen müssen "Vertrauen zurückgewinnen" und OHNE verbindlicher Zusage zu weiteren Zahlungen "zeigen, dass sie es mit den Reformen ernst meinen". Jau - so steht's glasklar in einem Papier der EU:
Zitat von 20150712-eurosummit-statement-greece.pdfHowever, the Euro Summit made it clear that the start of negotiations does not preclude any final possible agreement on a new ESM programme, which will have to be based on a decision on the whole package (including financing needs, debt sustainability and possible bridge financing).
Griechenland schluckt jetzt also - anders als vor dem Referendum - ohne Zusagen. Das ist, als wenn (sind Kinder on? Weghören jetzt!) der Zuhälter seiner Hure sagt "Schluck erstmal! Wenn ich gleich gute Laune habe überlege ich, ob ich Dir was zahle, womit Du meinen Lohn verdienen kannst!".
3. Wo fließt das Geld hin? In (die gekürzten) "Rentenzahlungen", oder "natürlich auch um Verpflichtungen nachzukommen"?
Auch das ist glasklar von der EU benannt - RD Krause hat das Bild getwittert:
Alles anzeigenNew 3-year ESM programme from beginning Aug 15 - Jul 18
81,7bn Gross financing needs [bn= deutsche Milliarden]
33,8 Amortisation
2,1 Repayment IMF and BoG loans
17,8 Interest payments
7,0 Arrears clearance
4,5 Cash buffer for deposit build-up
-2,5 Privatisation
-6,0 Cash general government primary surplus
25,0 Bank recapitalisation
7,7 Potential Financing sourses (SMP/ANFA profits)
Also, 33,8Mrd Ammortisation, 2,1 Mrd Rückzahlung an IMF, 17,8Mrd Zinszalhungen, 7Mrd Zahlungsverzug, 7,7Mrd SMP profits (das ist das EZB-Programm zum Staatsanleihenkaufen auf dem sekundärmarkt (sekundärmarkt, da die EZB laut ihren Statuten ja keine Staatsanleihen aufkaufen darf, hust)) - das sind zusammen 68,4 Mrd, die ausschließlich(!) dazu genutzt werden, "Verpflichtungen nachzukommen". Kleine Anmerkung hier: Privatisierung, -2,5 Mrd. Hat Schäuble da einfach mal ein Komma verschoben, oder wo sind seine 50Mrd aus Privatisierungen, die er ausgerechnet hat?! (25Mrd aus Privatisierung der Banken, 25 Mrd eben aus sonstigen Privatisierungen, nach Schäuble). Die angegebenen 25Mrd zur Rekapitalisierung der Banken sind obendrein herrlich, denn nachdem die Banken für 25 ESM-Mrd. refinanziert sein werden, sollen sie ja für 25 Mrd privatisiert werden! Da muss selbst Brzenski feststellen, dass dies etwas "obskur" ist: "Ich würde sogar sagen, das ist eine Mogelpackung.".
So, zusammenfassend gehen von den 81,7Mrd also 68,4+25=93,4Mrd direkt oder indirekt zu den Banken. Gut, dass Griechenland 3,5% BIP Primärüberschuss erwirtschaften will (das sind die 6Mrd), denn dieser soll laut EU-Rechnung auch in den Bankensektor gepumpt werden (sonst kämen wir nicht auf die 81,7Mrd).
Und noch ein Satz, zu knapp 90Mrd €. Wer weiß, wie groß das griechische BIP im Jahr 2000 war? Naaa? 115Mrd Euro! Es ist alles so surreal (besser: Dank des Kapitalismus muss(!) es so surrealsein) BIP von 2000 bis 2008 verdreifacht! (Wie soll das gehen; warum stört das keinen?!) In 2015 wird die Wertschöpfung eines ganzen Millenium-Jahres bereitgestellt, um die ZINSZAHLUNGEN für drei Jahre zu gewährleisten. Wie 2010. Wie 2012. Wie 2018, usw...
Nachdem wir das nun begriffen haben, bleiben zwei Fragen: "Warum dreht sich Tsirpas so krass?" und "Wem hilft die EU eigentlich?" Die erste Frage wird unbeantwortet bleiben - zur zweiten können wir nun schonmal berichten, dass weder der griechischen (s.o.), noch der nicht-griechischen Bevölkerung geholfen wird. Letzteres sieht man praktisch an allen bereits oben genannten Fakten, wenn man noch 1und1 zusammenzählen kann. Aus der Sicht eines bspw. Deutschen, wäre es genau dann gerechtfertigt, GL (mit Steuergeldern) zu helfen, wenn es der Sache "Europa" dient, ergo die Lebensumstände der Griechen an unsere Lebensumstände angepasst werden würden. Wer denkt: Wir helfen GL, um den Bankrott eines EU-Landes zu verhindern (was letztlich auch uns hilft), der ist zwar nah dran, aber meilenweit daneben. Dann hätte man wie gerade geschildert erstens bereits 2010 einfach alle Schulden sofort und vollständig abzahlen (oder einfach streichen, wie früher) können. Und dann müsste man sehen, ob GL - mit halber Wirtschaftskraft von NRW - tatsächlich so große Löcher in den EU-Haushalt reißen kann..
Wem wir helfen sagt Varoufakis - und damit schaffe ich auch den Re-Schluss zum DW, wa Mudge und Onkel?
Hier, aus einem Interview, das Volker mir geschickt hat: