Wenn die Börsenkurse fallen...

    • Offizieller Beitrag

    Ab und an schaue ich bei "lachschon.de" rein und stieß ich dort auf ein Gedicht von "Oli.Klemm". Irgendwie kam es mir bekannt vor, auch wenn es sehr aktuell erscheint. Ich stieß dann im Netz auf weitere angebliche Autoren und ganz oft auf "Verfasser unbekannt"...


    Unbekannt ist der aber natürlich nicht, wenngleich wegen seiner "Soldaten sind Mörder"-Äußerung eher ungeliebt in Deutschland. Doch mit diesem Gedicht sah er schon 1930 in unsere Gegenwart...


    Wenn die Börsenkurse fallen,
    regt sich Kummer fast bei allen,
    aber manche blühen auf:
    Ihr Rezept heißt Leerverkauf.


    Keck verhökern diese Knaben
    Dinge, die sie gar nicht haben,
    treten selbst den Absturz los,
    den sie brauchen - echt famos!


    Leichter noch bei solchen Taten
    tun sie sich mit Derivaten:
    Wenn Papier den Wert frisiert,
    wird die Wirkung potenziert.


    Wenn in Folge Banken krachen,
    haben Sparer nichts zu lachen,
    und die Hypothek aufs Haus
    heißt, Bewohner müssen raus.


    Trifft?s hingegen große Banken,
    kommt die ganze Welt ins Wanken -
    auch die Spekulantenbrut
    zittert jetzt um Hab und Gut!


    Soll man das System gefährden?
    Da muss eingeschritten werden:
    Der Gewinn, der bleibt privat,
    die Verluste kauft der Staat.


    Dazu braucht der Staat Kredite,
    und das bringt erneut Profite,
    hat man doch in jenem Land
    die Regierung in der Hand.


    Für die Zechen dieser Frechen
    hat der Kleine Mann zu blechen
    und - das ist das Feine ja -
    nicht nur in Amerika!


    Und wenn Kurse wieder steigen,
    fängt von vorne an der Reigen -
    ist halt Umverteilung pur,
    stets in eine Richtung nur.


    Aber sollten sich die Massen
    das mal nimmer bieten lassen,
    ist der Ausweg längst bedacht:
    Dann wird bisschen Krieg gemacht.


    Kurt Tucholsky, 1930, veröffentlicht in "Die Weltbühne"

  • Zitat

    Original von Onkel B
    Doch mit diesem Gedicht sah er [Kurt Tucholsky] schon 1930 in unsere Gegenwart...


    Nun ja, ich möchte mal die allgemeinen Geschichtskenntnisse auffrischen, wenn ich insofern korrigiere, als dass Tucholsky wohl viel eher die damalige Situation infolge der Weltwirtschaftskrise reflektierte, denn eine prophetische Weissagung für das Jahr 2008 anstrebte.


    Zudem sei darauf verwiesen, dass es bereits im 19. Jahrhundert zur ersten globalen Finanzkrise der Geschichte kam, als infolge der Spekulationen mit Eisenbahnaktien, welche die Kurse an den Börsen in ungeahnte Höhe getrieben hatten, in New York 1857 Panik ausbrach und die Krise ihren Lauf nahm und auch Hamburg erfasste, wo nur durch eine große Silberanleihe Österreichs der Bankrott der acht größten Handelshäuser verhindert werden konnte. Dennoch überstanden 200 Hamburger Handelshäuser die Krise nicht. Am schwersten wurde jedoch die USA getroffen, wo über 5000 Unternehmen bankrott gingen, zudem auch Skandinavien, Südamerika sowie Australien stark betroffen waren.


    Damals bereits begann das bis heute andauernde Wechselspiel der Weltkonjunktur.

  • Zitat

    Original von Onkel B
    Also läuft das entweder immer so, oder es wurde einfach inzwischen nichts dazu gelernt...


    Das hängt davon ab, in welchem Sinne man dieses 'dazu gelernt' interpretiert. Globale Finanzkrisen haben es jedenfalls an sich große Geldinstitute zu betreffen, denn andernfalls könnte von einer globalen Krise schließlich keine Rede sein, weshalb ich die Logik deiner Fragestellung nicht verstehe.


    Zudem: Wenn es 'immer so' abliefe, dann wäre dies doch einem normativen Grundsatz gleich, weshalb es dann doch völlig obsolet würde, ob etwas 'dazu gelernt' worden wäre oder eben nicht, da gegen dieses Immer-so-Gesetz ohnehin nichts eingewendet werden könnte.

  • Zitat

    Original von Onkel B
    "Was Du nicht verstehst, kannst Du auch nicht vergessen!"


    Hm, da bieten sich mir wiederum zu viele Deutungsmöglichkeiten, als dass es auch nur im Ansatz Sinn ergäbe, dieses an dieser Stelle und unter der gegeben Kürze eingrenzen zu wollen.


    Erneut hat jedoch auch der von dir zitierte (?) Ausspruch ein Problem der inneren Logik, da Vergessen in keiner Weise kausal mit Verstehen zusammenhängt. Ich kann Dinge vergessen, die kein Verständnis erfordern, und ebensolche, die ich nie verstanden habe...

  • Zitat

    Original von Onkel B
    Und damit war es das dann wieder für mich, da eine vernünftige Unterhaltung mit Dir anscheinend (zumindest für mich) nicht möglich ist.


    Vielleicht sollte man, bevor man derart entschlossen zu dieser Konklusion schreitet, zunächst überdenken, ob die angewandte Projektions-Methodik zur Überwindung (oder besser Verdrängung) der Selbstreflexion überhaupt angebracht ist, da man somit letztendlich doch nur seine eigene Realität konstruiert, welche die Bindung zum eigenen Sein verloren hat, an sich also selbst unvernünftig erscheint.

  • erste Frage für mich wäre: Paßt das Gedicht von Tucholsky zur aktuellen Situation?
    Antwort in meinen Augen: Paßt total!
    2.Frage: Hätte man eventuell was draus lernen können? Aus der Immobilienkrise in Japan in den 80ern, der DotCom-Krise in den 90ern, der aktuellen jetzt?
    Antwort in meinen Augen: Klar! Ist immer dasselbe - übersteigerte Gier, gekoppelt mit Risikofreudigkeit, am besten mit fremden Geld (da gabs übrigens ein nettes Zitat von Marx aus dem 19.Jahrhundert zu dem Thema Risikofreudigkeit) - geht eine Weile gut, und platzt irgendwann mal ...
    3.Frage: Hätte JEDER was draus lernen müssen? Hätte man staatlicherseits vielleicht ein paar Gesetze machen sollen, um solche Entwicklungen zu verhindern?
    Die Frage geb ich jetzt weiter !

    lest Terry Pratchett(RIP) ... und Stephen King, John Katzenbach, Hohlbein, Frank Schätzing, Anne Rice, Andrzej Sapkowski, Anne Bishop, Bernhard Hennen, George R.R. Martin, Markus Heitz, ... (wurde ja langsam Zeit, dass was dazu kommt)

    • Offizieller Beitrag

    Tolles Gedicht, :daumen:
    Toller Einfall das mit Gegenwärtigem zu vergleichen, :daumen:
    Bescheuerte Diskussion... :motz:


    Also mal ehrlich, was OnkelB damit zeigen wollte war ja mehr als offensichtlich, das jetzt auf diese Art zu zerlegen ist fast schon peinlich, als müsste Zwanghaft eine Contra-Position bezogen werden.
    einzig Andrean hatte jetzt einen guten Grundsatz für eine Diskussion geliefert, bin aber leider zu müde dazu, sorry :P

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