Finanzkrise 2.0

Warum auch immer habe ich Frifix' Beitrag verpasst, zumindest nicht durch "neue beiträge anzeigen" schmackhaft gemacht bekommen. Wie dem auch steckt in ihm ein hohes Interpretationspotential - nicht jeder User hat deine Lebenserfahrung

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Olaf Henkel hat das Rezept! Euro nur für die Eisernen im Euroland! Alle anderen ab in den Fahrstuhl zum Schafott!
Nur dieses richtige Rezept haben wir in unserer Euphorie 2001 versäumt.

Euro nur für die Eisernen. Zweigleisig interpretierbar:

Nur solvente, wirtschaftsstarke Länder hätten sich 2001 unter den Mantel der gemeinsamen Währung verkriechen dürfen. Jetzt, wo wir diese vermaledeiten Peripherie- / Schuldenstaaten mit im Boot (Bund) haben, ist die gemeinsame Währung in Gefahr!

Oder aber: Da Freund Henkel (jetzt) das richtige Rezept hat , müssen wir jetzt den Euro-der-Eisernen einführen, sprich: den Nord-Euro.

Beide Aussagen sind aus deutscher Sicht jedoch durch einen einfachen - im Sinne der Singularität - Grund abzulehnen: Ohne Gemeinschaftswährung könn(t)en unsere größten Exportpartner (= viele Peripherie Länder) unsere Made-In-Germany-Produkte gar nicht bezahlen! Aus deutscher Sicht war ein Eintreten in die EU also ganz einfach profitabel. Aus dem gleichen Grund würde die Flucht in einen Nordeuro unserer heimischen Wirtschaft schaden.

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Genauso, wie wir es versäumt haben, die Griechen bei deren erster Kreditanfrage abzuwimmeln. Da war die Schadenssumme, egal für wen in Außergriechenland, noch einigermaßen tragbar!

Ein großes Thema: Vorab aber mein Lob für den Relativsatz: "egal für wen in Außergriechenland". Machen wir uns nichts vor, die EU handelt nach den Interessen der Geberländer (gewichtigt nach deren Verteilung), Griechenland selbst will niemand helfen. Aber zum Inhalt:

Die Schadenssumme. Griechische Staatsanleihen. Im Frühjahr 2010 in Höhe von knapp 300 Mrd., durch 110 Mrd. vom Rettungsschirm finanziert. Heute etwa 330 Mrd, es ist nicht viel passiert. Aber:

Wo sind die Schulden heute? Mittlerweile haben zumindest in Deutschland (dem Nummer 1 Geberland) die meisten privaten Banken ihre griechischen Staatsanleihen abgestoßen, will sagen, mit hoher Rendite ausbezahlt bekommen. Solange sich die Griechen über deutsche Landesbanken, verstaatlichte Banken (HRE) oder direkt die EZB refinanzieren kann, kann es auch seine heute fälligen Staatsanleihen bedienen und voll auszahlen. Wir retten also einmal mehr die Banken, bzw. ersetzen wir ihnen bereits verbranntes Geld! Weit, weit weg übrigens von dem Irrglauben den uns die Presse so pennetrant aufmalen will, dass wir der griechischen Bevölkerung mit unseren Steuergeschenken helfen würden.. Jedenfalls brauchts doch nur noch ein paar Monate, bis auch der letzte griechische Euro zurück in private Hand geflossen ist, und schon können wir das Land pleite gehen lassen. Jetzt müssen nur die Regierungen zahlen.

Auch heute schon ist die Beteiligung privater Banken bereits eine Farce, die höchstens noch populistisch eingesetzt werden kann (und wird). Ob sich nun unsere Landesbanken, die EZB oder die Regierungen beteiligen, im Endeffekt zahlt's eh' der Steuerzahler (Wobei " 's " - wie gesagt -für die Banken steht).

Obendrein - und das ist für mich wirklich der totale Witz - erzählt mir Merkel nach ihrem Treffen mit Sarkozy in Berlin heute in den Tagesthemen stolz, sie habe eine freiwillige Beteiligung privater Gläubiger durchgesetzt, da eine verbindliche - und das betone sie ganz besonders - da eine verbindliche Beteiligung ja auch gar keine juristische Grundlage gehabt hätte! Freifahrtsscheine parat? Steig auf - es geht immer weiter!

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Lixue2 und Ipimp, Ihr könnt da begründet dartun, was Ihr wollt, ich sage Euch: Die Sache ist nicht mehr beherrschbar! Sie ist aus dem Ruder! Der Steuermann ist von Bord gegangen, der Kapitän schon vorher! Und die Lotsen aus Übersee? Hahaha!
Nun betet mal lieber!

Welcher Steuermann, welcher Kapitän? Die EU hatte nie eine alles entscheidende Regierung, da ist ja gerade der Haken. Wohl aber eine gemeinschaftliche Währung (von der Deutschland, dies sei noch einmal gesagt - nicht dass man denkt, ich wäre kein Befürworter des Euro), die unter diesen Bedingungen nur eben nicht funktionieren kann. Und was machen wir jetzt? Wieder richtig, Frifix, beten!

Gruß, IP

PS: Bin gespannt, wann Spanien wieder in die Medien kommt. Oder lass' uns größer denken: Chinesische Immobilien. USA. Da kommen die griechchen irgendwie lächerlich rüber...

Großartig, was? Da fällt mir nur Artikel 8a, Absatz 3 aus dem Vertrag von Lissabon ein (Bestimmung über die Demokratischen Grundsätze):

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Alle Bürgerinnen und Bürger haben das Recht, am demokratischen Leben der EU teilzunehmen. Die Entscheidungen werden so offen und bürgernah wie möglich getroffen.

Nett ist dann auch anschließend folgender Übermittlungsvermerk, wenn man sich die "Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zum nationalen Reformprogramm Griechenlands 2011 und Stellungnahme des Rates zum aktualisierten Reformprogramm Griechenlands für 2011-2014 " angugcken will:

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Dieses Korrigendum betrifft nicht die deutsche Fassung

Yippieh, wir sind auch offiziell in der Transferunion: FAZ - Dauerhafter Notfallmechanismus 20.06.11 (im Artikel Sätzen wie "Zudem sollen private Gläubiger wie Banken und Versicherungen an den Kosten der Rettung beteiligt werden." übrigens bitte nicht glauben. Die sind schlicht falsch. In der FAZ, aber falsch.)

Wofür eigentlich 700 Mrd? Haben die Griechen nicht nur 300 Mrd Euro Schulden?

Finanzielle Grüße, IP

edit: Report München Extra (ARD, läuft gerade):

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Wenn der ESM durch Zustimmung der Parlamente (bei uns Bundesrat und -tag) von der EU verifiziert wird, dann dürfen die Parlamentarier nicht weiter über finanzielle Hilfen entscheiden.

Die Sache läuft. Ich hätte übrigens nicht gedacht, dass mich die Main-Stream-Presse darüber informiert (Konkret schreib das allerdings auch schon letzten Monat). Wozu braucht's überhaupt so einen Mist, wie eine Demokratie? Moment, eine parlamentarische Demokratie!

2. edit: Laut FAZ.net soll die griechische "Vertrauensfrage in der Nacht zum Mittwoch" gestellt werden. Reden wir vom zeitversetzten Amerika, oder machen die Griechen das echt nachts?? Würde mich nichtmal überraschen, die Schuldengrenze der USA wurde zuletzt auch Heiligabend beschlossen. . Naja, mich wundert eh' nichts mehr! ("und ich betone freiwillig - alles andere hätte ja auch keine Rechtsgrundlage!" )

3. edit: In den Tagesthemen wird gerade über die Beteiligung der Banken gesprochen, bzw. welche Auswirkungen das für Deutschland hätte: Griechische Staatsanleihen hält: FMS Wertmanagment (BadBank der HRE, staatlich), Landesbanken (Land/Sparkassen/Bund), Deutsche Bank / Postbank, Commerzbank (zu einem Viertel in Staatsbesitz), Allianz. Herrlich...

4. edit: Dirk Müller fasst mal wieder den DW zusammen ;). Wir sind gut informiert! Schaut's euch an. Früher war er immerhin Mr. Dax (heute in der Presse eher Mr. Verschwörung). (Leider kann man das Video nicht direkt verlinken, einfach unten das Tagesvideo vom 20.06. anklicken.)

5. und letzter edit: In aussereuropäischen Zeitungen wird so manches doch etwas unverblümter dargestellt:

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NYT, Greece (updated: 20.06.2011)

[...]

Tensions in the Euro Zone

For Greece -- and for Spain, Italy, Ireland and Portugal -- the financial crisis has highlighted the constraints of euro membership. Unable to devalue their currencies to regain competitiveness, and forced by E.U. fiscal agreements to control spending, they are facing austerity measures just when their economies need extra spending. Other economies like Germany, the Netherlands and Austria have kept deficits down while retaining an edge in global markets by restraining domestic wage increases. France lies somewhere between the two camps.

The chief difficulty in working out a package to support Greece was the popular sentiment in Germany, deeply concerned about becoming the answer to the debt problems of all of Europe's endangered economies, that Greece should pay a penalty for its former profligacy.

Alles anzeigen

jetzt wirklich das allerletzte edit: Tagesschau.de: Interview zur Euro-Krise "Die Krise voll verkannt" Wie schlägt sich Kanzlerin Merkel in der Euro-Krise?

Doppelpost.

Damit er nicht sinnlos ist:

Papandreou gewinnt Vertrauensfrage. Was eine Neuigkeit..

Hrhr, meinst du Schäubles Solarstromidee? Oder etwa Barrosos populistischen Vorschlag:

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EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sagte, das Land könne einen Vorschuss aus bestehenden Töpfen in Höhe von einer Milliarde Euro erhalten.

Klingt ja toll! Und dann gleich eine Milliarde! Wir gucken in einen Bericht der [europ.] Kommision, in den Jahresbericht über den Kohäsionsfonds 2009 (vom 21.10.2010):

Zitat

Griechenland (im Jahr 2000-2006 angenommene Beträge, Stand 2009):

Mittelbindungen: 3 565 195 978 Euro
Auszahlungen: 2 715 334 857 Euro
RAL: 849 861 122 Euro
(RAL: reste a liquidier, offene Mittelbindungen)

Okay, die Milliarde fällt da wirklich ins wirtschaftliche Gewicht! Wo doch 0,8 Mrd ohnehin noch ausstehen. Nur blöd, dass der Kohäsionsfonds eigentlich nur an Länder ausgezahlt werden darf, die auch einzahlen. Aber wen interessieren schon Gesetze (no-bail-out).

Interessant vielleicht - wo wir doch den Bericht über Kohäsionszahlungen vorliegen haben - der Hinweis, dass gerade folgende vier Staaten in ihm als "EU-4" aufgeführt werden: Griechenland, Irland, Portugel und Spanien.

Grüße, IP

Anne Will - Schuldentragödie in Athen - wer zahlt für das Desaster . Inhaltich mMn eine gute Diskussion zur Verschuldungsproblematik in Griechenland. Insbesondere Müller und Gysi erklären wirklich gut die Zusammenhänge, die übrigens von den anderen Gästen (Christine Ostermann, Fricke (FDP) und Rolf Becker) meist nicht bestritten wurden. Dazu ein kleines Appetithäppchen:

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Will: Wäre das, Herr Müller, der richtige Plan [Schuldenschnitt] es dann schnell zu machen und eben nicht länger zu warten?
Müller:Wir hätten es bereits vor einem Jahr machen sollen, [...] da waren die Banken noch im Obligo. Hätte man damals schon gesagt: "Wir überweisen jetzt kein Geld mehr", die Banken wären mit dabei gewesen! [nickender Gysi] Man zieht das jetzt so lange raus, und da gebe ich ihnen Recht [Frau Ostermann], bis die Banken möglichst alles abgebaut haben und das Ding weg ist. Zumindest die privaten Banken. Die, an denen der Steuerzahler beteiligt ist, die sind noch voll dabei. HRE zum Beispiel. [...]
Gysi: Richtig. Sie müssen den Leuten aber auch sagen, dass die HRE verstaatlicht wurde. [...]
Becker: Wo bleiben vor allem diese Summen? Die Schulden, die die EZB aufgekauft hat, die betragen ja in der Summe das dreiundzwanzig fache der überhaupt vorhandenen Einlagen. Wäre eine Bank derart überschuldet, wäre sie schlicht und einfach pleite. Warum wird das gemacht? Weil diese Beträge [Gysi per Zwischenruf: 50 Mrd] ausschließlich umverteilt werden auf den kleinen Steuerzahler!
Müller: Richtig, korrekt.
Gysi: Richtig. 50 Mrd sind die Forderungen der EZB gegen Griechenland.
Fricke: Richtig - und sie zieht Zinsen ein!

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Grüße, IP

PS: Lasst euch von der Will und den ersten Minuten nicht abschrecken, die Diskussion hinterher ist wirklich gut!

Habe gerade in den Tagesthemen folgenden Satz aufgeschnappt (bin eigentlich am PC, hab nur Ton an):

"Die US-Ratingagentur S&P bekräftigte haute, dass sie jede Veränderung der bisherigen Anleihekonditionen als teilweisen Zahlungsausfall Griechenlands werten würde. Dann dürfte Europas Zentralbank sie nicht mehr als Sicherheiten akzeptieren."

Tatsächlich, denn wenn griechische Staatsanleihen auf D herabgewertet werden ( D für default - wobei ich mich frage, wofuer dann A B und C stehen?! ), so darf die EZB diese laut Gesetz nicht weiter akzeptieren. Von der Seite habe ich eine freiwillige "Beteiligung" noch gar nicht betrachtet, bzw. wusste ich nicht, dass S&P so reagiert. Da bin ich ja mal gespannt.. Klingt nach 'ner Springergabel.

grüße, IP

Mir kommt da noch einiges mehr merkwürdig vor, aber du hast recht, das ist schon ein dickes Ding (gestern konnte man das im Falle Portugals wieder einmal wunderbar erkennen!). Weiß man zusätzlich, dass (es einen Ratingagenturenspoiler gibt), dass die Agenturen privat sind (sogar Tochterunternehmen von US-Medienkonzernen), dann klingt "merkwürdig" doch sehr untertrieben...

Ich würde hier gerne, zumindest als Exkurs, ein paar Lösungsmöglichkeiten (zur Verschuldungskrise der EU) diskutieren. Von mir gibt's dazu morgen mehr dazu, unter dem Gesichtspunkt "ein gemeinsames Europa muss her!" Ich bin jetzt allerdings zu müde (und muss früh raus - was mir schwerer als anderen fällt, wenn man meinen Tagesrhythmus, bzw. meine Postingzeiten kennt ). Aber ihr dürft gerne beginnen...

Grüße, IP