Computerspiele: Brutstätte für Psychopathen oder Kulturgut?

  • Wenn du keine sozialen Kontakte mehr hast, dann hat das einen Grund. Früher gab es andere, heute kann es eben sein, dass du zu viel mit dir selbst beim Spielen am Computer verbringst. Und das geht bei Shootern nun mal sehr gut.


    Ich will hier mal eins klarstellen: Es gibt nichts, was bei übermäßigem Genuss nicht sehr gefährlich werden könnte. Und Computerspiele beinhalten nun mal einen großen Suchtfaktor, was sie auch so interessant zu spielen macht. Durch Goethes Bücher hat sich die Selbstmordrate über Nacht vertausendfacht, da ist es auch nicht so unverständlich, dass Ballerspiele zu Amokläufen beitragen.


    Ich kenne viele Leute, die ich persönlich bewundere und die völlig ohne Spiele am Computer auskommen. Sie unternehmen eben lieber etwas mit ihren Freunden.
    Die Frage ist jetzt: Sind Computerspiele gut? Ich z.B. unternehme lieber etwas mit meinen Freunden und kann auf Computerspiele verzichten, spiele sie jedoch trotzdem gerne. Und jetzt seid mal ehrlich: Wer von euch hätte Entzugserscheinungen ohne Computerspiele?
    Es geht hier einfach mal darum, sich eine Vorstellung zu machen, was jetzt aus unserer Zukunft wird. Die Roboter übernehmen immer mehr unsere Arbeit, immer mehr Natur wird zerstört, wir verbringen immer mehr Zeit zu Hause. Wie stellt ihr euch die Zukunft vor? Ich fürchte nämlich manchmal, dass es nicht lange dauern wird, bis es Tiere nur noch in wenigen Naturschutgebieten geben wird.

  • Ich lasse mich einmal dazu hinreißen, Nachtschatten auf seinen totalen Off-Topic-Beitrag mit einem ebensolchen meinerseits zu antworten.


    Ich übernehme jedenfalls keine Verantwortung für mögliche Konsequenzen, da ich zugeben muss, dass dieses meinige Verhalten - leider - unter objektiven Maßstäben betrachtet unverantwortlich ist, da wir uns beide diametral gegenüber stehen, was unsere Ansichten im Allgemeinen betrifft - und ja, ich kenn' den Spruch: "Don't feed the troll". Aber manche Trolle haben einfach ein so verlockendes Fell ;).


    Ad 1 weiß ich nicht, was du genau mit meinem "thematischen Konstrukt" beabsichtigst zu bezeichnen, zudem der "Anstoß" daran für mich ebenso unerkenntlich bleibt.


    Ad 2 versuche ich niemandem meine Meinung aufzuzwängen bzw. diese durchsetzen, weil ich ein solches Verhalten als trollig, infantil etc. ablehne. Allerdings darf man "argumentieren/verteidigen" nicht mit "unbedingt Meinung durchsetzen" verwechseln. Und den Umgang mit Argumenten sind manche Menschen nun einmal nicht gewöhnt, weshalb es da sicher schneller als gedacht zu Missverständnissen kommen kann.


    Ad 3 kann ich nichts dafür, wenn ein Schlipsknoten eher unzulänglich gebunden ist, sodass sich der Betroffene an anderen - womöglich subjektiv besser gebunden erscheinenden - Schlipsknoten stören könnte.


    Ad 4 ist die Rechtschreibdebatte schon vor Äonen abgehandelt worden, sodass ich dieses aufdringliche Auskramen dieses Umstands als trollig bezeichnen würde - zumindestens unpassend, weil heute und hier völlig irrelevant. Der trollige Eindruck drängt sich jedoch durch das in diesem Zusammenhang infantil wirkende "Grinse-Smiley" sehr stark auf. Außerdem weißt du selbst, dass ich weder in der Vergangenheit, Gegenwart noch Zukunft ständig auf "grammatikalischen Fehlern" herumgeritten bin, herumreite bzw. herumreiten werde - außer, es sind meine eigenen. ;)


    Ad 5 ist die Bezeichnung "Faden" eine Stilblüte meinerseits, die sich an keine Orthographie-Dikatatoren à la Duden & Co. hält, sondern im Sinne eines attraktiveren Sprachgebrauchs dem sterilen "Thema" von mir vorgezogen wird.


    Außerdem könnte man auch folgendermaßen argumentieren: Die Amerikaner/Engländer (oder wer weiß wer) haben diesen alten Begriff "thread", der direkt übersetzt eben "Faden" bedeutet, für die moderne Erscheinung in Internetforen weiterverwendet und dieses Phänomen in dem von dir benannten Fall eben nicht "topic" benannt, wofür die Direktübersetzung "Thema" lauten würde. Warum sollte die deutsche Sprache nicht fähig sein, ebenfalls "alte" Begriffe in einem modernen Kontext neue Bedeutung zu verleihen? Eben.

  • Zitat

    Original von Humunculus
    Wenn du keine sozialen Kontakte mehr hast, dann hat das einen Grund. Früher gab es andere, heute kann es eben sein, dass du zu viel mit dir selbst beim Spielen am Computer verbringst. Und das geht bei Shootern nun mal sehr gut.


    Dito.


    Auch das Goethe-Beispiel und die Allusion auf "Die Leiden des jungen Werther" gefallen mir, obschon die "Vertausendfachung der Selbstmordrate" vielleicht "etwas" übertrieben ist.


    Zitat

    Original von Humunculus
    Es geht hier einfach mal darum, sich eine Vorstellung zu machen, was jetzt aus unserer Zukunft wird.


    Das, was du danach geschrieben hast, ist vielleicht sehr stark auf die ökologische Schiene getrimmt, aber der zitierte Satz trifft es auf den Punkt!


    Und es hat also 5 (In Worten: fünf!!!) Seiten gebraucht, dass endlich ein Nutzer zum eigentlichen Gegenstand meiner Ausgangsfrage(n) vorgedrungen ist:


    Nicht nur Zukunft, sondern auch Gegenwart der Gesellschaft und die Rolle der Computerspiele darin.

  • Von der Frage, ob Computerspiele "Brutstätte für Psychopathen oder Kulturgut" seien soll man also logischerweise auf die Frage kommen, "was aus unserer Zukunft" wird?
    Ahja...



    Natürlich kann man durch Computerspiele (Besonders durch Shooter? Mag sein, dass ich anders bin, aber ich werde durch Rollenspiele à la Gothic viel stärker gefesselt...) vereinsamen und sich immer mehr zurückziehen... Normale Menschen haben aber trotz solcher Spiele noch ein normales Leben, also ist es offensichtlich auch möglich, trotz Computerspielen sozialen Kontakt zu haben. Und wie Humunculus schon schrieb, das war auch vor der Existenz von Spielen schon möglich, also wiedermal die Spiele für alles verantwortlich zu machen finde ich etwas zu einfach.



    Zitat

    Jedenfalls sind doch gerade die Killerspiele allein schon durch ihre Existenz Ausdruck der Werte unserer Gesellschaft, die solche Spielinhalte toleriert. Des Weiteren sind sie Ausdruck der Werte derjenigen, die solche Inhalte konsumieren.


    Deiner Meinung nach zeigen also diese Spiele (könntest du bitte die reißerische Bezeichnung auf BLÖD-Niveau "Killerspiele" unterlassen?) durch ihre bloße Existenz unsere Werte? Nun das mag sein, aber ich würde immer noch gerne wissen, warum NUR Spiele deshalb so verteufelt werden. Ich weiß, ich reite da immer wieder darauf herum, aber ich kann einfach nicht nachvollziehen, dass man auf der einen Seite Shooter für alles verantwortlich machen will, auf der anderen Seite aber Filme oder eben auch brutalen Sport lobpreist. Das soll kein lästiges "Totschlagargument" sein, ich kann es ganz einfach nicht nachvollziehen.


    Des weiteren ist mir nicht klar, warum das so schlecht sein soll. Der Mensch setzt sich in seiner Fantasie mit vielem auseinander, häufig geht es dabei um Gewalt oder andere moralisch verwerfliche Themen. Das tut der Mensch aber auch ohne Computerspiele (wie Humunculus schon bemerkte, z.B. auch durch Literatur). Deshalb kann ich leider wirklich nicht nachvollziehen, warum Shooter das Problem darstellen.


    Wäre nett, wenn du mir deine Meinung hierzu mal darlegen könntest, denn momentan kann ich sie einfach nicht nachvollziehen, wodurch eine vernünftige Diskussion ziemlich schwer wird... ;)

    greez eXeKuToR


    Es spielt keine Rolle, ob du Recht hast. Du musst sicher sein. Natürlich kann es nicht schaden, Recht zu haben. (Terry Pratchett)


    Früher litten wir an Verbrechen, heute an Gesetzen.
    (Tacitus, 55 v. Chr.)

    Einmal editiert, zuletzt von eXeKuToR ()

  • "Unkritische Jugendliche mit Verständnisschwierigkeiten?"

    Zitat

    Original von lixue2
    glaubst du ernsthaft,das mit einem verbot von killerspielen,das psychopathenproblehm gelöst werden würde?


    Argh, welch Ausgeburt der (freien?) Interpretationsgabe!


    Ich kann Tobius in seinem vorvorletzten Post durchaus nachvollziehen, allerdings betrifft mein Ausruf auch diese Aussage:

    Zitat

    Original von Tobius
    Und wenn die in der Mehrzahl bloß unkritisch ihren Gewaltinhaltskonsum hochhalten wollen...


    Was ich damit verdeutlichen will, Tobius, du erwartest von den Nutzern dieses Forums - allesamt zumindest Gelegenheitsspieler - die Überwindung ihres eigenen Standpunktes zu einer neuen Betrachtungsweise unter der Gefahr, damit selbst in einem kritischen Licht stehen zu bleiben. (Ganz abgesehen davon, ob man mit der neu gewonnen Betrachtungsweise übereinstimmt oder nicht, wenn man sich auf sie eingelassen hat) Du selbst aber erschwerst diesen eigentlich auch in diesem Forum möglichen Verlauf mit deiner Polemik - danke Andrean -, ganz erheblich.


    Dieses Statement,

    Zitat

    Original von Tobius
    [...] (Das sollte jetzt implizieren, dass ich meine Einleitung nicht für sonderlich provokant halte.)


    angesichts dieser Aussage

    Zitat

    Original von Tobius
    [...], wenn Spiele wie RapeLay diese von Bolz formulierte Grenze doch bereits deutlichst überschreiten, den Graben schließen zwischen Killerspiel und Porno.


    Wohin gehen sie also, die Computerspiele?


    lässt mich meinerseits kopfschüttelnd schmunzeln. Zwar stehen die letzten Sätze deines ersten Posts nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang, da durch den Absatz getrennt, hier jedoch empört auf den Interpretationsspielraum zu verweisen, erscheint mir etwas janusköpfig.


    Ach ja, ein weiterer "Beleg" in diesem Zusammenhang:

    Zitat

    Original von Tobius
    [...]ad 2 möchte ich darauf hinweisen, dass dieses Spiel eben zeigen sollte, welche Bandbreite der Inhalte bei Spielen ereicht worden ist. Nicht mehr und nicht weniger.


    Im Grunde genommen stelle ich dir also nur die gleichen Fragen wie Zork es bereits getan hat.


    Und noch etwas:

    Zitat

    Original von Tobius
    Zudem auf die eigentlichen Fragen niemand geantwortet hat.


    Sehr diskussionsfördernd, zudem eigentlich eigentlich ein doppelt relativistischer Begriff ist... Ja, deine Fragen waren eigentlich sehr klar formuliert, wenn jemand aber aus Interessens- oder Zeitgründen nur einen bestimmten Aspekt aufnehmen möchte und diesen jedoch sehr ausführlich und durchaus pro-diskursiv darlegt - nehmen wir als Beispiel exekutor -, dann liegt es an dir, diesen Umstand zu respektieren.


    Da darfst du dich nicht wundern, wenn bei einem derartig "ungeschickten" Diskussionsaufbau erst nach derartig langer Zeit - und deinem beharrlichen Einlenken - "endlich" die "Erlösung" kommt.



    Verstehe mich nicht falsch, inhaltlich stimme ich dem meisten zu, das von du betreffend dem Thema geäußert hast, auch geht es mir nicht darum, dich durch eine Zitatmauer irgendeiner Tat zu überführen oder dir gegenüber irgendetwas zu beweisen, vielmehr hoffe ich, dass dir mein Post in der Selbstreflektion weiterhilft.


    Damit die Diskussion mir nicht davongallopiert, schicke ich den Beitrag schon einmal ab, der On-Topic-Teil wird editiert.

  • diese ganze killerspiel debatte geht am eigentlichen problem vollkommen vorbei.


    Auslösende Faktoren [Bearbeiten]


    Schulamoktaten gab es vereinzelt schon früher, ältere Beispiele sind das Schulmassaker von Bath 1927 oder das Attentat von Volkhoven 1964. Täter waren jeweils Erwachsene. In neuerer Zeit treten derartige Taten öfter auf und die Täter entstammen öfter dem Kreis der Schüler selbst, wie etwa beim Schulmassaker von Littleton 1999, dem Amoklauf von Erfurt 2002 [4], dem Amoklauf von Emsdetten 2006, dem Amoklauf an der Virginia Tech 2007 oder dem Kreis ehemaliger Schüler wie beim Amoklauf in Winnenden 2009.


    Aus der Betrachtung bisheriger Amoktaten und ihrer Täter lassen sich weiterhin folgende Faktoren in ihren Lebensumständen als signifikant für das Verständnis der Tat heranziehen:


    * Mobbing in der Schule
    * unangemessener Leistungsdruck, sowie daraus resultierende Zukunftsängste
    * mangelnde Kommunikation und Integration im Elternhaus und/oder im sozialen Umfeld
    * soziale Vereinsamung, Entwurzelung oder Isolation
    * Versager- oder Einzelgängerschicksale
    * Konflikte mit nahestehenden Personen
    * intensive Gewaltphantasien
    * Kompensation von erfahrenen Kränkungen oder Minderwertigkeitsgefühlen durch extreme Handlungen
    * die Nachahmung ähnlicher, vorangegangener Taten [5]
    * angestrebtes Erregen von (medialer) Aufmerksamkeit bis hin zu Unsterblichkeitsphantasien [6]


    quelle

  • Ja, es freut mich, dass du darauf hinweist, welche "Tat" ich eigentlich - um dieses herrlich uneindeutige Wort zu gebrauchen - von den lieben Mitnutzern dieses Forum verlangen würde, die über ihren Hang zu Ego-Shootern -- Ist dieser Anglizismus wertfreier als "Killerspiel"? dann verwende ich ihn anstelle des letztgenannten in der folgenden Diskussion -- nachdenken sollten. In der Tat kann eine solche tiefergehende Selbstreflektion ein unschönes Selbstbild zutage fördern. Der Punkt ist aber, dass ich niemandem dazu zwinge, sondern mit wünschte, dass diejenigen, die dazu nicht bereit sind, ihre unreflektierten Überzeugungen nicht länger so breitspurig herauszuposaunen.


    Darüber hinaus kann ich - leider? - immer noch nicht erkennen, wo die Provokation in der Nennung von RapeLay als Beispiel der Bandbreite von Computerspielinhalten liegt. Der Titel des Fadens, das war auch so von mir angelegt, ist durchaus provokant - werternder ausgedrückt gar reißerisch? - formuliert. Irgendwie muss ich ja versuchen die Leute neugierig zu machen, ihre Finger an den Anfang des Fadens zu legen, bevor sie ihn weiterspinnen können. Bislang ist der halt aus meiner Sicht ein wenig "versponnen", aber das geht - natürlich! - auf meine Kappe. In gewisser Weise mag auch ein Element Neugier meinerseits darin gesteckt haben, die Reaktionen auszutesten, zu sehen, ob Emotionalität oder Ratio überwiegen würden.


    Daran ist per se auch nichts Verwerfliches, allerdings sehe ich die Sachlage eher so, dass bis Humunculus nicht auf die klar formulierten Fragen reagiert wurde, sondern - im "worst case" - eine Spamflut losbrach, welche Fragen von irgendwoher, von irgendwelchen Experten irgendwann aufgestellt herbeirissen, um die Ego-Shooter von jeder Kritik abzuschirmen.


    Im Nachhinein muss ich dir sicher partiell zustimmen, dass der Aufbau meiner Einleitung zu sehr einladend auf trollige Spam-Antworten (ich erinnere an die "einfach konstruierbaren" Atomsprengköpfe) eingestellt war. Nur habe ich die Befürchtung, dass beim nächsten Mal, wenn ich die Einleitung völlig sachlich, ohne Interpretationsraum schreibe, kaum Aufmerksamkeit auf das Thema fallen würde. Aber Aufmerksamkeit um jeden Preis kann natürlich auch nicht Ziel sein, wobei ich dieses Mittel hier in meinen Augen auch nicht verfolgte.


    Eine Frage allerdings bleibt für mich: Welche Fragen hat Zork mir gestellt? Er meinte lediglich, dass meine einzige Absicht die der Provokation gewesen sei, was definitiv nicht richtig ist.


    Ansonsten vermisse ich immer noch mrx4 Beitrag, den er als Erster angekündigt hatte...


    Wie dem auch sei, mal schauen, was für eine Richtung die Diskussion hier noch nehmen wird - sie wird ja sicher nicht so einfach zu Ende sein.

  • Also, wie in Grumpys Beitrag und meiner "diskurstheoretischen" Reaktion deutlich geworden sein sollte, diente die durchaus provokative Überschrift der Gewinnung von Aufmerksamkeit. Sie sollte nicht Basis der Diskussion bilden, was, denke ich, Überschriften generell nicht tun, sondern eben genau Aufmerksamkeit erhaschen wollen. Das ist in Zeitungen - auch Qualitätszeitungen wie z.B. der SZ der Fall ! - und überhaupt im Schrifttum gang und gäbe.


    Die Fragen, welche allein die Thematik abstecken sollten, sie also nicht unbedingt direkt beantwortet werden müssten (hier stecken schließlich gerade die Möglichkeiten einer Diskussion), die sind in meiner Einleitung klar formuliert, weshalb ich darauf verzichten möchte, sie an dieser Stelle zu zitieren. Einfach noch einmal den Eröffnungsbeitrag von mir lesen. Die Fragen sind im Mittelteil, der durch Sternchen gekennzeichnet ist, zu finden.


    Nun zu deiner Frage, warum Ego-Shooter immer als Alleinschuldige deklariert werden. Vorab: Ich stimme dir zu, dass solche monokausalen Erklärungsansätze illegitim sind. Auch für mich sind Ego-Shooter nicht der alleinige Grund für Gewalttaten bzw. "school shootings" im Speziellen. Allerdings beziehst du dich da, glaube ich, eher auf Aussagen bestimmter Politiker, "Experten" etc. als auf meine Aussagen, nicht wahr?


    Wie dem auch sei, hatte ich vor einigen Jahren die Gelegenheit einem sehr interessanten Vortrag eines Soziologen aus Hamburg, der sich auf Medien und ihre Verknüpfung mit der modernen Gesellschaft spezialisiert hatte, wobei mir der Name und die Details des Vortrags leider nicht länger gegenwärtig sind, beiwohnen zu können. Der stellte die Hypothese von der sogenannten "Altsinnigkeit" auf, welche die älteren Generationen über die Medienentwicklung hinaus von der jungen Generation, der von mir als "digitalisiert" bezeichneten Gruppe, trennen würde. Es ging dabei darum, dass in der Vorstellungswelt dieser "Alten" das Moderne keinen Platz finden könne, sie sozusagen aus der Zeit gefallen seien, weshalb es ihnen gar nicht möglich wäre, die "Jungen" zu verstehen.


    Als anschauliches Beispiel, woran man die "Altsinnigkeit" eines Menschen erkennen könne, führte er das Autofahren an, welches jetzt scheinbar nicht zur Computerthematik zu passen scheint, aber dieses vermeintliche Paradoxon wird sich sogleich auflösen. Es ging darum, dass die Schnelligkeit, die rasanten Wechsel, die beim besonders schnellen Autofahren auftreten, für die "Altsinnigen" nicht verarbeitbar seien, ihre Wahrnehmung damit gestört würde, weshalb "schnelles" Autofahren für sie per se nicht möglich bzw. vertragbar wäre.


    Diesen exemplarischen Zustand könne man übertragen auf den immer schnelleren Wandel in den Kommunikationssystem der Gesellschaft und auf die Funktionsysteme der Gesellschaft selbst. Schnelle Bilder, die Unbehagen hervorrufen bei den "Altsinnigen", wohingegen auf der anderen Seite die aus dieser Rasanz Geborenen mit der Langsamkeit der Vergangenheit völlig überfordert sind.


    Was hat das jetzt mit deiner Frage zu tun? Nun, ganz einfach: Die älteren Generation, auf die du sicher mit den Politikern und Experten anspielst, ist mehr oder weniger "altsinnig". Sie kann also die Problematiken insbesondere in der Medienwelt der modernen Generation aus grundlegenden Differenzen heraus nicht nachvollziehen geschweige denn verstehen (ich präferiere zwischen nachvollziehen und verstehen zu differenzieren). Aus diesem Grund sind die Ego-Shooter, die Inbegriff der Reaktionsschnelligkeit und der Rasanz sind, ein absolutes Rätsel für die "Altsinnigen". Und das Unverständliche, das Fremde ist immer beängstigend.


    Aus diesem Zusammenhang heraus ließe sich also deine Frage nach dem "warum?" beantworten. Erstaunlicherweise stellen wir also dabei fest, dass als Auswahlkriterium der Inhalt eigentlich keine Rolle spielt. Er ist infolge der Überbetonung bestimmter "Ethiken" als Grund vorgeschoben, der das eigene Unbewusstsein über die "Altsinnigkeit" nur überdeckt, diese aber als Basis darunter sich streckt.


    So, ich hoffe, damit kannst auch du dich dann den "eigentlichen" Fragen zuwenden, die von größerem Interesse in diesem Thema sein sollten. ;)

  • Zitat

    Jedenfalls sind doch gerade die Killerspiele allein schon durch ihre Existenz Ausdruck der Werte unserer Gesellschaft, die solche Spielinhalte toleriert. Des Weiteren sind sie Ausdruck der Werte derjenigen, die solche Inhalte konsumieren.


    Nehmen wir diese These doch als kontruktiv-provozierenden Ausgangspunkt. Es geht also zunächst nicht länger um den Einfluss gewalthaltiger Spiele auf die Gesellschaft, sondern deren Stellung als Spiegel der gesellschaftlichen Wertordnung. Ließe sich bedenkenlos dieser Schluss bis in die letzte Konsequenz ziehen, dann stünde Deutschland im Vergleich westlicher Rangordnung mit seinem Zensuren-Allerlei ja sogar ziemlich gut dar, wenn auch auf einem bedenklichen Gesamt-Niveau. Ist diese These jedoch überhaupt legitim? Nein, keineswegs, weder das Medium Computerspiel noch die konsumierende Zielgruppe erfüllen repräsentative Auflagen, man sollte sich jedoch vor zu viel Geringschätzung hüten:


    Um bei dem Bild des Spiegels zu bleiben, Computerspiele können zwangsweise nur ein Bruchstück desselben ausmachen, wie ist aber die Größe und Farbe einzuschätzen? Erschreckend groß, erschreckend männlich, und: erschreckend mittig angesiedelt. Wie hier schon des öfteren bemerkt wurde: Weit über 75% männlicher Jugendlicher tolerieren und bejahen derartige Inhalte ( Natürlich immer unter dem Vorbehalt, diese seien Fantasie.) Ein Randgruppen-Phänomen radikaler Hard-Core-Spieler ist damit ausgeschlossen. Ebenfalls immer mehr Erwachsene schließen sich dieser Tendenz an, unberücksichtigt dessen, dass auch die heutige Generation Jugendlicher einmal Erwachsenenalter erreicht.


    Geschichtswissenschaftlich würde ich im Gegensatz zu Lord Otto durchaus den Schluss gelten lassen: Die Dekadenz steigt.
    Bisher stand so immer eine Zeit der Umwälzung, bzw. des zivilisatorischen Niedergangs an, dies auf die heutige Zeit zu übertragen halte ich jedoch für gewagt. Gerade dass eine Virtual Reality vor der Tür steht, spricht ebenfalls für einen Moralisierung des Internets und dessen Inhalte, zu denen ich Spiele zähle: Die Anonymität, die ich persönlich für ausschlaggebend für Phänomene wie RapeLay ansehe, ist bereits am sinken. In unzähligen sozialen Netzwerken geben User ihre wahre Identität preis. Werden dabei angreifbarer für Missbrauch, aber auch im positiven Sinne kontrollierbarer. Wie hier ebenfalls schon erwähnt wurde: Über fast jeden User hier könnte sich ein Profi wichtige Daten des Reallife besorgen. Schreitet diese Entwicklung weiter fort, schenken alle Besucher des Internets ihm größtmöglichstes Vertrauen, verliert dieses einen Teil seiner Monstrosität.
    Das ist dann erreicht, wenn der "Glasbürger" vollendet ist, wenn nicht nur der Profi mit entsprechender Absicht nachvollziehen kann, wo man sich überall im Internet herumtreibt, sondern auch dein soziales Umfeld in der Wirklichkeit.
    Nun wird sich doch niemand freiwillig dieser Entwicklung hingeben, noch mehr von sich preisgeben, man hat doch Schutzbedürfnisse! Die Bequemlichkeit der Menschen bereitet jedoch den besten Weg dorthin: Immer mehr individualisierte Dienste, wie angepasste Werbeanzeigen im Internet, erfordern immer größere Datenmengen vom Nutzer, die zunächst womöglich unfreiwllig, über kurz oder lang, doch genutzt werden.


    Summa summarum lautet meine Annahme, dass bei einer Veschmelzung von Internet und Wirklichkeit diese aufeinander abgestimmt werden und moralische Werte somit mitübertragen. Zu den Spielen ist es dann ein kurzer Schritt, deren dauerhafte Verankerung im Internet immer offensichtlicher wird. (MMORPGs, MMORTSs, Online-Shooter)


    Gehen natürlich in einer vollkommen säkularisierten Welt Gewissen und Moral sowieso "den Bach runter", mitverursacht durch abstumpfenden, wie auch immer gearteten Gewaltalltag, kommt es darauf an, welche Entwicklung sich schneller durchsetzt...
    (Wobei die Entwicklung der gesamten "Weltgesellschaft" ja noch von weit mehr Faktoren beeinflusst wird, diese Reduzierung auf den diskutierten Aspekt nimmt also bewusst eine unrealistisch erscheinende Voraussage in Kauf.)


    Grüße
    grumpy


    Edit Tobius: Deine Verwirrung bezüglich meiner Behauptung auf Zorks Frage ist natürlich völlig berechtigt, ich hatte den Post seit gestern kein zweites Mal gelesen und mich falsch erinnert...Was ich damit meinte: Was beabsichtigst du, wenn du derart provokannte Mittel wählst und die Reaktion hättest voraussehen können? Das hätte sich ja aber bereits aufgelöst :)

  • Tobius:


    Ok, jetzt ist mir einiges klarer^^
    Und ja, mit meiner Kritik an der alleinigen Schuld der Spiele bezog ich mich auf die "Allgemeinheit", nicht auf Aussagen dieses Threads.

    greez eXeKuToR


    Es spielt keine Rolle, ob du Recht hast. Du musst sicher sein. Natürlich kann es nicht schaden, Recht zu haben. (Terry Pratchett)


    Früher litten wir an Verbrechen, heute an Gesetzen.
    (Tacitus, 55 v. Chr.)

  • Zitat

    Original von Tobius
    Ergo sind Killerspiele - in jedem Fall - Teil des tatsächlichen Problems.


    Wenn man das "in jedem Fall" durch ein "wahrscheinlich" ersetzt, dann können dem vermutlich mehr Menschen zustimmen. Weil die Aussage dann näher an der Wahrheit wäre. Für die absolute Sicherheit fehlt dir - und jedem anderen auch - nämlich die ausreichende Kenntnis der menschlichen Psyche.


    Zudem können alle von dir genannten "Fakten" nur zu einer Aussage führen: Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Konsum gewalthaltiger Medien und der Verübung gewaltvoller Straftaten - in diesem Fall der sog. "School Shootings".


    Aber: Schon die Schlussfolgerung "Würde es keine gewalthaltigen Medien mehr geben, dann gäbe es weniger Amokläufe" ist bestefalls eine Theorie mit schwachen Indzien für ihre Richtigkeit, im Grunde wäre eine solche Aussage als reine Spekulation abzutun. Und leider zielt meinem Gefühl nach eine große Zahl der medialen Berichterstattung auf die genannte Schlussfolgerung ab.


    Zitat

    Original von Tobius
    Welche Fragen hat Zork mir gestellt? Er meinte lediglich, dass meine einzige Absicht die der Provokation gewesen sei, was definitiv nicht richtig ist.


    Ich habe in der Tat behauptet, dass es deine Absicht war zu provozieren. Aber wo sage ich, dass deine einzige Absicht die Provokation wäre? Das habe ich nie gesagt und es entspricht auch nicht meiner Überzeugung.

    "Es war ein wunderschöner Augenblick, als der Bundestrainer sagte: Komm Stefan, zieh Deine Sachen aus, jetzt geht´s los."
    (Steffen Freund, ex-BVB)


    Charlie the Unicorn

    3 Mal editiert, zuletzt von Zork ()

  • Hmmm
    Was mir auffält ist,dass einige User hier,eine ungenügend entwickelte Empathie Fähigkeit besitzen und somit nicht in der Lage sind die geistige Verfassung eines Amokläufers grob einzuschätzen.


    Ich denke,dass der von mir obengenannte Defizit,eines der essenziellen Gründen ist,der zur Entwicklung eines Amokläufers beiträgt.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von Zork
    Ich habe in der Tat behauptet, dass es deine Absicht war zu provozieren. Aber wo sage ich, dass deine einzige Absicht die Provokation wäre? Das habe ich nie gesagt und es entspricht auch nicht meiner Überzeugung.


    Dito, das war ich (und noch ein paar andere hier).
    Wer bewusst Indikativ anstelle des eigentlich angebrachten Konjunktivs, zur Darstellung einer These, benutzt, erscheint damit zweifelsfrei Provokativ, dies muss nicht heißen, dass dies wirklich die Absicht war, aber es kommt als provokativ rüber.


    Zumal Amokläufe, bzw. plötzliche aggressive/gewalttätige Ausbrüche einzelner Individuen schon seit einigen Jahrhunderten bekannt/dokumentiert sind.


    Wer jetzt also sagt die Ursache für ein Problem, was seit Jahrhunderten bereits existent ist, ein Medium ist, was seit nicht mal einem halben Jahrhundert Existiert, der hat, pardon, eindeutig einen Sprung in der Schüssel, eine derartige Schlussfolgerung lässt ein gesunder Menschenverstand nicht zu...


    Zudem, solange ihr euch in diesem Thread nicht mit den möglichen Anomalien der Psyche eines derartig Kranken befasst, werdet ihr hier nicht sehr weit kommen.


    PS:
    Das zuvor war nicht off Topic, dass war meine negativ Meinung zum Thema, nur halt nicht zur aktuellen Diskussion. :P

  • Die These bleibt


    Als Urheber des Zitats, Grumpy, sehe ich es - natürlich! - als meine Pflicht an, mein Wort zu verteidigen bzw. es weiter noch zu treiben in den aufgeweichten Boden, der die Gedanken beherbergt in seiner Dunkelheit, die nachtwärts gerichtet scheint, dorthin, wo die Apostel der Moral im Zwielicht verschwinden - allmählich, doch unablässig - und die Moral selbst als Werkzeug missbraucht bis zur Kehle im Wasser steht, gar zu versinken droht.


    Nein, keineswegs ist meine These nicht legitim. Natürlich ist sie es, muss sie es, ist es ihre Aufgabe es zu sein! Es - ein Wahrheitsausdruck, den ich meine, der sich darin versteckt als Erkenntnis über die Lage in diesem nicht fassbaren Wesen der Gesellschaft. Die Gesellschaft ist es nämlich, die ich anführte - nicht die begrenzte Zielgruppe, die nur sekundär selbst als Wertausdruck verstanden werden kann, sondern der Hort, das warme Bett, das die Gesellschaft diesen Konsumenten bietet ist es, welches eben von der Gesellschaft bereitsgestellt wird, das Ausdruck der Art und Weise ist, wie diese Inhalte - Gewaltprodukte - von der Gesellschaft als Herbergsvater für zulässig erklärt werden, sind es, das in meinen Worten Bedeutung fand.


    Mit der Existenz der Gewaltprodukte meinte ich ihre Vertriebsamkeit, ihre Erwerbfähigkeit, ihre Konsumeigenschaft. Alles von Menschen Geschaffene, das bloß existiert, ist Ausdruck eines Wertes, der - das sei angefügt - sehr wohl auch amoralisch ausfallen kann. Nicht nur materielle Dinge, nein auch immaterielle Dinge können "geschaffen" werden - letztere sind dann nur gegenstandslos, nicht jedoch wertlos!


    Gedanken, die im Kopf verbleiben, Worte, die von stummen Lippen versiegelt, auch sie sind es. Deutlich erkennbar für das blinde Auge aber werden sie erst in Form von Taten, Handlungen: Mord, Vergewaltigung, Amoklauf, Tötungen sind zutreffende Weisen. Diese schließlich rufen eine widersprechende Wertantwort herauf: Gesetzestexte, Zensur, Verfolgung, Bestrafung sind die Konsequenzen.


    Die Gewaltprodukte aber bleiben doch tatsächlich unbeantwortet, womit ihr Wert allein maßgebend bleibt, ihnen eben nicht widersprochen wird.


    Geschieht dies doch - vornehmlich durch CSU-Politiker -, so sind diese Auftritte als nicht repräsentativ zu werten, ja! Hier klopft ein Gast in einem weit entfernten Zimmer an die Decke, doch die Gesellschaft, der Herbergsvater, den kümmert's nicht, der missachtet ihn, worin sich wiederum eine widersprechende Wertantwort verbirgt, die sagt: Diese Haltung entspricht nicht der Moral des Herbergsvaters, der Gesellschaft insgesamt.


    Natürlich, ja, auch die Gewaltprodukte belegen nicht alle Zimmer der Gesellschaft, aber sie sind auch nicht im Strandhaus untergebracht - fernab der anderen Gäste, nein! Sie liegen verteilt, auf jeder Etage, auf jedem Korridor, hinter der und der Tür, da sind sie zu finden. Ein jeder andere - unbescholtene! - Gast läuft einmal daran vorbei. Die Einen häufiger, die Anderen seltener. Aber dadurch doch bleiben sie nicht Scherben, an denen man sich schneiden könnte, nein! Sie sind zahllose Mosaiksteine, die das große Bild der Werte zusammensetzen.


    Und ohne sie, wäre dieses Bild nicht existent. Es wäre defizitär.



    Virtual Reality - voll von Werten unserer Realität?


    Darüber hinaus ist es doch so, dass die Anonymität der virtuellen Räume die Ethik und Moral der Nutzer nicht verändert, nicht jedenfalls in ihrem eigentlichen Wesen. Sie verändert dieses jedoch insofern, als dass sie das offene Zutagetreten vielmehr katalysiert, das eigentliche Wesen sichtbar werden lässt! Sie sind bereits als Anlagen in den Nutzern. Die Anonymität reißt nur die Maskerade ein, welche die eigentliche Moral umgibt.


    Aus diesem Grund, da der grundsätzlich böse Mensch dem anderen ein Wolf ist -- wobei diese Ansicht Ursache unserer unterschiedlichen Auffassungen sein könnte, sollten unsere Auffassungen in diesem Punkte divergieren -- führt diese Anymität zu einer Verschiebung der vorgetragenen Moral: sie verliert ihren Glanz, steigt von ihrem überheblichen Podest herab, wird dreckiger und dabei ehrlicher!


    Die Werte, die zu beobachten sind in den öffentlichen Tuscheleien in der Lobby unserer Herberge, der Gesellschaft, diese sind doch nur Augentäuscherei. Aus diesem Grund übertragen sie sich eben nicht direkt und unverändert auf das virtuelle Netz. Sie könnten es noch nicht einmal! Die Anonymisierung der Virtualisierung treibt einen Keil zwischen Schein und Sein. Aus diesem Grund kann das Netz, das Web 2.0 wahrhaftiger als die eigentliche Realität sein - in Bezug auf die Moral, die Werte, nicht aber auf die reale Person und ihre reales Verhalten.


    Und die Nutzer, durch die Anonymität enthemmt, sie zeigen somit ein anderes Gesicht. Doch dieses muss noch immer nicht das echte sein, es kann jedoch näher dran sein an der Wahrheit. Du musst bedenken, dass sie sich einen Avatar erschaffen, ein virtuelles Ich, das nicht - in keinem Falle - mit der realen Person zu verwechseln ist. Dieser Avatar ist Projektionsfläche, nicht Abbild des Nutzers - für seine Gedanken, Hoffnungen, Wünsche. Und dahinter verbrigt sich die Ethik und Moral seines Denkens.


    Die Menschen, sie legen sich im sozialen Netzwerk einen Avatar gegensätzlichen Geschlechts an, sie verwalten unterschiedlichste Avatare häufig auch, die jeweils andere Namen tragen, um die Anonymität zu sichern. Du kannst nicht annehmen, dass der Nutzer, mit dem du dich austauschst, tatsächlich in dem steckt, was er schreibt, was an sich bereits voraussetzte, dass du genau verstehen würdest, was der meint, wenn er seine Worte schreibt, dabei jedoch unbeachtet bleibt, dass die Botschaft, die der andere Nutzer dir sendet in seinem Text, erst von dir verarbeitet werden muss, verstandern werden will, gar einer Interpretation bedarf, die - insofern sie oftmals nicht der Intention des Gegenübers völlig entspricht - bereits ein abweichendes Bild von dieser Person zeichnen kann, in der Konsequenz zumindest das Potential für derlei Falschbilder sehr hoch erscheint.


    Aus diesen Gründen ist zu unterscheiden zwischen der Ethik der Virtualität und der Ethik der Realität. Es handelt sich um zwei Kompartimente, obschon nicht abgetrennte Räume, sondern solche mit durchlässiger Begrenzung, wodurch sich beide in gegenseitiger Wechselwirkung befinden, denn wie gesagt, ist die virtuelle Realität Projektionsfläche, nicht Abbild oder gar Spiegelbild der realen Welt.


    Aus diesem Grund führte es auch in die Irre, die Wertmaßstäbe unserer Realität an die virtuelle Realität (hierfür müssen wir unbedingt noch einen passenderen und eigenständigeneren Begriff finden) unmittelbar anzulegen, da hier mit unterschiedlichen Maßen gewichtet würde. Das negiert jedoch keinesfalls den Zusammenhang, der zwschen beiden Räumen besteht. In einem Meta-Raum nämlich, der den beiden zuvor genannten übergeordnet wäre, würden sich die vorgetragenen Ethiken komplementär ergänzen, weshalb wir beide Seiten betrachten müssen, um ein ganzheitliches Bild zu erreichen.


    Gruß
    Tobius

  • götz eisenberg beschreibt es recht gut.



    Warum stellen Amokläufe ihrer Meinung nach "Kollateralschäden der Modernisierung" dar?


    Eisenberg: Das sind "Kollateralschäden" einer bestimmten Form von Modernisierung, die mit einer Ausbreitung von Konkurrenz, Gleichgültigkeit und zwischenmenschlicher Feindseligkeit einher geht.


    Sie schrieben in einem Aufsatz, dass die Gesellschaft in Gestalt der Amokläufer die Kinder bekommt, die sie verdient und die ihrem unwirtlichen Schoß entspringen. Wie meinen Sie das?


    Eisenberg: Das ist meine These von den "Kindern der Kälte". Die politischen und medialen Interpretationen von solchen Amoktaten neigen dazu, die Täter zu vermonstern und sie zu betrachten, als kämen sie von einem anderen Stern. Damit drücken wir uns vor der unangenehmen Wahrheit, dass die Amokläufer Produkte dieser Gesellschaft sind, eben unsere Kinder. Sie halten uns den Spiegel vor, in dem wir uns erkennen könnten, wenn wir dazu bereit wären.
    Jede gesellschaftliche Entwicklungsstufe bringt die ihr gemäße Form des Verbrechens hervor. Der Amoklauf scheint mir das dem globalen Zeitalter entsprechende Verbrechen zu sein. Er ist das Produkt der fortschreitenden Anonymisierung und Entfremdung. Ein indifferenter Mensch löscht andere ebenso indifferente Wesen aus. Der frei flottierende Hass ist das Produkt der fortschreitenden psycho-sozialen Entleerung.
    In den öffentlichen Debatten werden mit Vorliebe Ursachen benannt, die in einem Bereich liegen, den man kurzfristig verändern kann. Man verhält sich wie ein Betrunkener, der seinen verloren gegangenen Schlüssel im Schein der Laterne sucht und nicht da, wo er ihn verloren hat. Um die verunsicherten Bürger bei der Stange zu halten, soll schnell politische Handlungsfähigkeit demonstriert werden. Die Ursachen liegen jedoch viel tiefer und entziehen sich solch kurzfristigen Lösungsvorschlägen.


    [URL=http://www.augsburger-allgemeine.de/Home/Nachrichten/Politik/Artikel,-Ich-fuerchte-es-wird-mehr-Amoklaeufe-geben-_arid,1516960_regid,2_puid,2_pageid,4290.html]quelle[/URL]

  • In der Tat,sehr gut diese Analyse.
    Der Punkt wurde meiner Meinung nach mit diesem Satz getroffen:


    Der frei flottierende Hass ist das Produkt der fortschreitenden psycho-sozialen Entleerung

  • der Satz ist mir auch aufgefallen, aber eher als Beispiel, wie man etwas besonders geschwollen ausdrücken kann...
    Ich kenne zwar eine Menge Fremdwörter, aber das Wort flottierend ist mir bisher noch nie untergekommen; der Duden übersetzt flottieren mit schwanken, das Fremdwörterbuch mit schwimmen, treiben; könnte aber auch eine Fehlübersetzung nebst Anlehnung aus dem Englischen sein (floating - also treibend ?)
    was bitte ist frei flottierender Haß ? ?(

    lest Terry Pratchett(RIP) ... und Stephen King, John Katzenbach, Hohlbein, Frank Schätzing, Anne Rice, Andrzej Sapkowski, Anne Bishop, Bernhard Hennen, George R.R. Martin, Markus Heitz, ... (wurde ja langsam Zeit, dass was dazu kommt)

  • Meines Wissens nach benutzen viele das Verb "flottieren" in etwa gleichbedeutend mit "unbeschränkt". Wenn irgendetwas keine Grenze kennt, also nicht innerhalb bestimmter Parameter abläuft, so ist es frei flottierend.


    Ich denke also, dass er das Gegenteil eines sehr zielgerichteten Hasses mein - einen Hass (ja, die neue Rechtschreibung sieht ätzend aus), der sich gegen alles Andere richtet und nicht spezifisch auf eine Sache.


    Das wäre zumindest meine Interpretation.

  • Etwas "flottieren lassen" bezeichnet - vom Standpunkt des Betrachters aus - ein Nichteingreifen, wenn ich mich nicht irre.


    Wenn man sich aber einfach gleich klar und verständlich ausdrücken würde, dann könnte man solche Exkurse umgehen. Eine solche Sprache ist ungeeignet, um einen Standpunkt präzise darzulegen, so lyrisch anspruchvoll sie auch sein mag bzw. soll.

    "Es war ein wunderschöner Augenblick, als der Bundestrainer sagte: Komm Stefan, zieh Deine Sachen aus, jetzt geht´s los."
    (Steffen Freund, ex-BVB)


    Charlie the Unicorn

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