TdW 43: Pflegereform

  • Vielen Dank.


    Letzte Woche beschloss das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur Pflegeversicherung.
    Auf der website der Regierung wird er freilich sehr positiv präsentiert: Link
    Die drei wichtigsten Punkte sind wohl
    - Verbesserung der ambulanten Pflege
    - Erhöhung des Pflegegeldes
    - Erhöhung des Beitragssatz von 1,70% auf 1,95%


    Ich finde es begrüÃenswert, dass Familien, die ihre Angehörigen selbst pflegen künfitg besser unterstützt werden. Dadurch haben die betroffenen mehr Spielraum mehr Freiraum bei der Entscheidung zwischen Pflege im Heim und ambulanter Pflege.
    Meiner eigenen Oma geht es zum Beispiel bei uns zu Hause wesentlich besser als es im Heim der Fall war. Andere Menschen möchten vielleicht lieber im Heim leben als ihren Liebsten täglich zur Last zu fallen.
    Deshalb halte ich, wie gesagt, individuelle Entscheidungsmöglichkeiten für wichtig.


    Bei der Finanzierung muss man, selbst falls jemand eine geniale Idee* zur Verbesserung des Kosten/Leistungs - Verhältnisses hat, in mindestens einen der drei sauren Ãpfel
    1. Reduzierung der Leistung
    2. Erhöhung der Beiträge
    3. Belastung der staatlichen Haushalte
    beiÃen.


    Für mich kommt da eigentlich nur 2. in Frage, denn 1. ginge zu Lasten der Schwächsten und auch 3. ist wegen der hohen Staatsschulden für mich inakzeptabel.
    Also plädiere ich hier quasi für höhere Lohnnebenkosten und verschärfe damit das vielleicht übelste Problem der deutschen Volkswirtschaft.
    Aber ich finde, angesichts der Tatsache dass niemand ausschlieÃen kann eines tages Pflegefall zu sein sind 1,95% wenig im Vergleich zu dem was für Renten- und Arbeitslosigkeitsversicherung drauf geht.
    Um die Lohnnebenkosten zu senken, ist meiner Meinung nach dort anzusetzen (ist natürlich leichter gesagt als getan, aber ich will jetzt nicht zu sehr vom Kernthema abweichen).
    Insofern finde ich den Gesetzentwurf auch was diesen Aspekt betrifft tendenziell gut. Aber dass durch die zusätzlichen 0,25% die Finanzierung der Pflegeversicherung gesichert sein soll, halte ich für Augenwischerei.
    Hier wurde wohl um Wirtschaft und Beitragszahler nicht zu sehr zu verärgern, mal wieder ein Problem vertagt und damit verschlimmert.


    Zur Situation in dem Heimen: Viel hängt natürlich vom Personal und den einzelnen Heimleitungen ab. Wenn individuell geschlampt wird, kann man nicht Politikern die Schuld geben. Aber wenn durch immer mehr Personaleinsparungen Pflegekräfte überfordert sind, oder z.B. Tätigkeiten die zu zweit gemacht werden müssten nur von einer Person erledigt werden und dadurch ein Risiko entsteht, ist der Fehler sehr wohl in der
    Unterfinanzierung zu suchen. Also wer mal ein Heim von innen gesehen hat wird bestimmt bereit sein auch 1% mehr Pflegebeitrag zu zahlen.


    Mein Fazit lautet: Der Gesetzentwurf ist ein Schritt in die absolut richtige Richtung, aber leider ein viel zu kurzer.


    Jetzt seid Ihr gefragt: Wie steht ihr zu Pflegereform ? Habt ihr selbst pflegebedürftige Verwandte ? Falls ihr selbst Pflegefälle wäret ( was wir natürlich niemandem wünschen ), würdet ihr lieber in einem Heim oder zu Hause leben ? Ich persönlich käme wahrscheinlich in einem Heim mit anständiger Pflege ganz gut klar, weil ich dann Leute ähnlichen Alters und Schicksals um mich hätte.


    *gibt es sogar und heiÃt Prävention, wirkt allerdings zeitverzögert und wird kaum bemerkt, daher nicht so beliebt.

    Das Parteiprogramm der AfD verschweigt die feuerlöschende Wirkung von CO2 !

  • angesichts der demografischen entwicklung dürfte die pflegeversicherung mittelfristig durch keine deiner drei alternativen allein zu retten sein. bleibt wohl nur an allen schrauben zu drehen, also leistungen runter, beiträge und zuschüsse hoch.


    angesichts dieser aussichten stelle ich mir zunehmend die frage, ob die pflege wirklich eine gesamtgesellschaftliche aufgabe sein kann. für meinen geschmack müssen individuelle risiken einfach mehr berücksichtigt werden. gleiches gilt natürlich auch für die krankenversicherung. viel zu viele mitbürger achten einen sche... auf ihre gesundheit und die gemeinheit trägt deren erhöhtes risiko mit.


    insofern war der gesetzentwurf wieder ein schritt in die falsche richtung. imho führt nur mehr individualität zu einer echten kosteneinsparung.

  • ich finde die Idee der Pflegeversicherung gut und wichtig; was willst du denn machen, wenn jemand ohne Angehörige pflegebedürftig wird? Da ist nichts mehr mit individuellem Risiko, wenn kein Geld da ist - auÃer du willst dann so ein Spital aufmachen wie es früher gab - wo die Leute nur noch auf den Tod warten; und selbst bei den Leuten, die Angehörige, Kinder haben - stell dir vor, das einzige Kind hat selber ein paar eigene Kinder, und kommt mit Ach und Krach über die Runden - und soll vielleicht für 10 Jahre seinen Job aufgeben, Angehörige pflegen, und dabei selbst in die Sozialhilfe abrutschen, oder alternativ sein ganzes Geld für die Betreuung in einem Heim abgeben

    lest Terry Pratchett(RIP) ... und Stephen King, John Katzenbach, Hohlbein, Frank Schätzing, Anne Rice, Andrzej Sapkowski, Anne Bishop, Bernhard Hennen, George R.R. Martin, Markus Heitz, ... (wurde ja langsam Zeit, dass was dazu kommt)

  • Ich denke neben eigener Arbeiststätte und vielleicht auch noch eigener Familie, einen Angehörigen zu pflegen ist fast unmöglich. Irgendetwas bleibt immer auf der Strecke und nicht zuletzt die eigenen Nerven. Je nach Pflegestufe strapaziert solch eine Aufgabe vom Kostenfaktor bis hin zum physischen und psychischen Aspekt enorm. Von daher ist die neue Pflegeversicherung ein guter Anfang für einen besseren Weg, wobei das zuständige Personal, wie Lord_Helmchen ebenfalls erwähnte, auch dementsprechend geschult, beaufsichtigt und unterstützt werden muss.

  • du hast noch vergessen ... und bezahlt werden muss...
    im Augenblick werden ein Haufen geschulte Pflegekräfte entlassen, um sie durch ungeschulte Ein-Euro-Kräfte zu ersetzen;

    lest Terry Pratchett(RIP) ... und Stephen King, John Katzenbach, Hohlbein, Frank Schätzing, Anne Rice, Andrzej Sapkowski, Anne Bishop, Bernhard Hennen, George R.R. Martin, Markus Heitz, ... (wurde ja langsam Zeit, dass was dazu kommt)

  • Ja, damit hast du Recht!


    Meine Freundin ist examinierte Krankenschwester auf einer geschlossenen Psychatrie und dort werden ebenfalls geschulte Arbeitskräfte entlassen und durch günstigere "Alternativen" ersetzt.


    Unverantwortlich...

  • betrachtet man nur moralische und ethische aspekte würde ich mich euch nur zu gerne anschlieÃen. dummerweise gibt es neben anderen auch noch wirtschaftliche aspekte zu berücksichtigen.


    ein schwerstpflegefall braucht faktisch eine 24h-betreuung. natürlich ist eine rundumbetreuung durch qualifiziertes personal wünschenswert, doch muss das auch finanziert werden und mit 1,95 oder halt 2,2% dürfte das unter berücksichtigung der alterspyramide kaum noch zu stemmen sein.


    ok, drücken wir also 10% extra ab. dummerweise kommt da wieder der wirtschaftliche, hier volkswirtschaftliche ansatz zum tragen. verteuert sich die arbeit in deutschland um 10% bleibt weniger davon hier. natürlich könnte man alá springfield ne groÃe glocke über deutschland stülpen und alles wird gut... allerdings kommen da wieder die ethiker und ne glocke führt zu massiver unzufriedenheit. sowas ähnliches gab es vor 20 jahren schon mal in einem teil deutschlands zu beobachten.


    wer also schon seine wünsche äuÃert, darf auch gerne mal schreiben, wie er sich ein finanzkonzept vorstellt ;)

  • weil du die Pflegeversicherung im Augenblick in Wirklichkeit alleine finanzierst (und der'Arbeitgeber' gar nicht)

    lest Terry Pratchett(RIP) ... und Stephen King, John Katzenbach, Hohlbein, Frank Schätzing, Anne Rice, Andrzej Sapkowski, Anne Bishop, Bernhard Hennen, George R.R. Martin, Markus Heitz, ... (wurde ja langsam Zeit, dass was dazu kommt)

  • Seit dem es die Pflegeversicherung gibt, ist die Anzahl der Personen, die in Heimen gepflegt werden, stark gestiegen. Das kann man nun von zwei Seiten aus betrachten: Entweder kaufen sich Angehörige durch die Pflegeversicherung von der Pflege frei - oder Angehörige können nun endlich ihre Angehörigen professionell pflegen lassen. Ich denke, dass beides zutrifft. Ich persönlich habe von Pflege- und Altersheimen keine gute Meinung. Dafür kann aber das Personal nichts, sondern die Arbeitsbedingungen sind einfach unglaublich sch...! Da bleibt eben keine Zeit, sich in Ruhe um die Pflegebedürftigen zu kümmern. Ich halte eine Pflegeversicherung daher für notwendig, allerdings muss auch jeder einzelne Bürger mehr Eigenverantwortung übernehmen.
    Andrean: Die Sozialversicherungsbeiträge (also auch die Pflegeversicherung) werden zur Hälfte vom Arbeitgeber aufgebracht. 2006 waren das in der Rentenversicherung 9,75%, Krankenversicherung ca. 6,65% (der Arbeitnehmer zahlt zusätzlicheinen Sonderbeitrag von 0,9%), Arbeitslosenversicherung 3,25% und 0,85 % in der Pflegeversicherung. Allerdings zahlen kinderlose Arbeitnehmer, die älter als 23 Jahre sind, 1,1% Beitragssatz für die Pflegeversicherung.

  • die pv ist eine totgeburt und war es immer. damit hat sich die cdu damals nx anderes als zeit erkauft, weil sie (und alle andern!) nicht den mumm hatten eine ihnen zu 100% bekanntes problem (überalterung, demographische entwicklung usw) auch nur anzufassen geschweige denn zu lösen.


    das konzept sah vor, dass die beitraege eine weile (muesste jetzt nachlesen wie viele monate genau, keine lust, ich sach ma 6-12 :) ) gezahlt werden BEVOR die leistungen ausgezahlt werden. das war kein verbrechertum sondern ist mit der vollen absicht geschehen. damit sollten die damals schon bekannten MIESEN, die ab um die jahrtausendwende rum vorhergesehen wurden einen augenblick aufgefangen werden.


    und nu? tja was soll ich sagen, die reservekohle is alle!


    traut sich nur keiner so richtig deutlich zu sagen.



    das ganze thema is groÃe scheisse, alles unbezahlbar in der proffessionellen pflege, nicht leistbar in der haeuslichkeit (das gute alte "frueher" hatte auch katastrophale pflegesituationen fuer zu hause gepflegte, von der ausbeutung der töchter/schwiegertöchter, die neben allem andern mal eben noch "oma" "am hals" hatten ganz zu schweigen.) und überhaupt.


    die beitraege MUESSEN rauf, die leistungen koennen NICHT mehr runter (is eh nur ne teilkasko, die eh fast alle frueher oder spaeter in die sozialhilfe schiesst), lohnnebenkosten hin oder her, hilft ja nix.


    ok, ich koennte noch REICHLICH schreiben, über die situation des pflegepersonals zb, ueber sinn und unsinn der debatte über qualifizierte arbeitskraefte usw. aber da KANE heute heiratet bin ich aufm sprung und komme nich dazu :)


    nur soviel: alles verlogen, alle wissen es "da oben", keiner hat die traute sich die finger zu verbrennen. vieles vieles wird auf schlimmste art und weise von der politik verdraengt mit folgen fuer das ganze system und allen daran/damit beteiligten.

  • himbeertoni,
    als die Pflegeversicherung 1996 eingeführt wurde (bei einem damaligen Beitragssatz von 1 %), gab es noch den BuÃ- und Bettag als Feiertag; da sich die Arbeitgeber äuÃerst ungern an den zusätzlichen Ausgaben für die Pflegeversicherung beteiligen wollten, gab es einen KompromiiÃ:
    1. die Arbeitnehmer zahlen ihre Hälfte der Beiträge
    2. die Arbeitgeber zahlen offiziell die 2.Hälfte, im Gegensatz dafür arbeiten die Arbeitnehmer einen Tag länger (bei geschätzten 200 Arbeitstagen pro Jahr macht das etwa genau den Beitrag der Arbeitgeber aus)
    Fazit: die ersten 1% zahlt der Arbeitnehmer allein; da in Sachsen der BuÃ- und Bettag nicht abgeschafft wurde, zahlen dort die Arbeitnehmer immer noch die 1% allein;


    da inzwischen der Beitrag erhöht wurde (auf 1.7%), zahlt der Arbeitgeber faktisch 0.35%, der Arbeitnehmer 1.35%; bei Kinderlosen zahlt der Arbeitgeber faktisch 0.35%, der Arbeitnehmer 1.6 %;


    also insofern (durch die Beitagserhöhung inzwischen) muà ich mich wirklich korrigieren - der Arbeitnehmer zahlt nicht 100 % der Beiträge, wie ich es behauptet habe, sondern nur zwischen 79.4 und 82 % - hat aber mit Hälfte nicht viel zu tun...

    lest Terry Pratchett(RIP) ... und Stephen King, John Katzenbach, Hohlbein, Frank Schätzing, Anne Rice, Andrzej Sapkowski, Anne Bishop, Bernhard Hennen, George R.R. Martin, Markus Heitz, ... (wurde ja langsam Zeit, dass was dazu kommt)

    Einmal editiert, zuletzt von Andrean ()

  • Zunächst mal Danke an alle, die an diesem äuÃerst konstruktiv dargebotenen Thema meine Vorredner waren. Bei mir ist es so:
    a) bin ich mit meinen 68 Jährchen schon dichter (passiv natürlich!) an der Sache dran, als Ihr.
    b) bin ich glücklicherweise in der Lage, das aus eigenem Fundus zu stemmen.
    c) habe ich das Prozedere bei Eltern und Schwiegereltern schon zum gröÃten Teil hinter mir, nur mein Vater ist mit 97 noch da. Also, in dem Alter ist das nicht mehr schön! Privatpflege 24 H.
    Zum Thema selbst möchte ich mich nicht äuÃern, weil ich zu wenig davon verstehe (wie gesagt, Dank an Euch, Ihr bringt mir das schon noch haarklein bei)
    Eins muà ich aber loswerden, da kenne ich mich aus: Lord Helmchen,
    wenn Du dereinst in einem Pflegeheim nach heutigem Status gelandet bist, wird Dir das Lachen vergehen. Falls Du dann noch geistig klar bist!
    Wenn Demenz, Schwachsinn oder Alzheimer von Dir Besitz ergriffen haben, wird es DIR wesentlich besser gehen! Deiner Umgebung natürlich nicht!
    Ausweg (im Falle Du noch klar): Nimm 'ne Klimperkiste mit und zock Heroes :-D!
    GruÃ, frifix.